Ich fuhr Jude mit meinem Wagen ins Krankenhaus, da im Krankenwagen kein Platz war. Die Polizei hatte uns auch schon gefragt, wie Chester angeschossen wurde. Die Polizei machte sich sofort auf die Suche nach Matt. In meinem Auto war es totenstill, Jude schien ziemlich besorgt und angespannt zu sein. Ich sah immer wieder zu ihr rüber, konnte einfach nicht fassen, dass sie neben mir saß. Auf einmal zeigte sie auf das Foto von Melissa, das auf dem Autospiegel klebte, und fragte: „Ist das deine Tochter?“ „unsere! Das ist deine Tochter Melissa. Du hast sie nach deiner verstorbenen Mutter benannt.“ Sie sah mich erstaunt an und meinte: „Dann hab ich mir das also nicht eingebildet, dass sie mir so ähnlich sieht!“ Ich schüttelte leicht den Kopf. Plötzlich fragte sie mich: „Wie geht es Traver?“ Sie schien genauso erstaunt über die Frage wie ich. „Du kannst dich an deinen Bruder…äh..Adoptivbruder erinnern? Es geht ihm gut. Er und seine Frau Maike vermissen dich und jetzt haben sie auch ein kleines Baby.“ „Ich weiß, dass ich ihn schon lange kenne und das ich mit ihm verbunden bin, aber ich habe vergessen wir er aussieht. Wieso mir dieser Name erst jetzt einfällt, weiß ich auch nicht.“ Wieder sah sie auf das Foto von Melissa. „Mein vollständiger Name war früher Jude Harrison, oder?“ Ich hatte den Nachnamen noch nie in ihrer Gegenwart verwendet, sie schien sich tatsächlich zu erinnern. „ja, das war er. Du warst eine erfolgreiche Sängerin.“ Wir kamen beim Krankenhaus an, sie stieg aus und rannte hinein, ich ihr hinterher. Sie war am Empfang und schien sich zu erkundigen, dann rannte sie auch schon weiter. Ich rannte an der Rezeption vorbei und Jude hinterher. Sie blieb vor einem Arzt stehen. Dieser schüttelte den Kopf, ich hörte wie er sagte: „Sie haben ihn zwar stabil gemacht, aber er hat trotzdem zu viel Blut verloren, wir konnten nichts mehr für ihn tun.“ Jude sackte zu Boden. Ich ging auf sie zu und umarmte sie. Sie brach in herzzerreißendes Schluchzen aus. Nach einiger Zeit murmelte sie: „Chester war nach meinem Gedächtnisverlust der einzige der an mich geglaubt hat. Er war meine Familie, war mein ein und alles. Er hat mich alles gelehrt, hat mir gezeigt wie man überlebt im Armenviertel, hat mich gelehrt wieder zu leben! Er gab mir Hoffnung! Und jetzt…jetzt ist alles aus. Es gibt ihn nicht mehr. Ich werde ihn nie wieder lächeln sehen! Nie wieder mir ihm reden können….“ Sie fing wieder an zu weinen. Dann beschloss sie in Chesters Zimmer hinein zu gehen um sich von ihm zu verabschieden. „Soll ich mit reinkommen?“ Sie nickte. Also stand ich auf und ging mit ihr ins Zimmer. Sie stürzte zu seinem Bett und legte sich neben die Leiche. Ich hörte sie flüstern: „Ich werde dich nie vergessen. Hörst du niemals!“ So blieb sie noch eine Zeit lang liegen. Dann gab sie Chester einen Kuss auf die Stirn, stand auf und meinte: „Lass uns gehen!“ Ich nahm ihre Hand und zog sie mit mir, weil ich wusste, dass sie selber zu schwach zum Gehen war. „Kannst du mich…“ Sie brach ab. „Was soll ich machen Amy?“ Sie schüttelte den Kopf. „Soll ich dich nach Hause bringen?“ „Ich habe kein zu Hause mehr!“ „Du kannst dich erstmals in meiner Wohnung ausruhen!“ „Danke.“ Nach einiger Zeit des Schweigens fragte ich sie: „Weißt du eigentlich noch, wodurch du das Gedächtnis verloren hast?“ „Ja, ich bin aus einem Auto gesprungen und auf dem Kopf aufgeschlagen, dann rollte ich den Berg bewusstlos hinunter und dadurch war mein Gesicht entstellt, sodass niemand mich erkennen konnte. Bis gestern!“ Ich sah wieder in ihr Gesicht und tatsächlich konnte ich ein paar Narben in ihrem Gesicht erkennen. Wir kamen bei meinem Haus an. „Wow, lebst du in diesem großen Haus?“ Ich nickte. „Melissa braucht viel Platz zum Spielen.“ Ich half Jude beim aussteigen. Ich schloss die Haustür auf und ließ Jude den Vortritt. Sie sah sich im Flur um. „Tommy….Bist du es?“ „Ja, Sarah. Wir haben Besuch.“ Sarah kam uns entgegen. Geschockt blieb sie stehen. „Jude? Aber du….Wie?...“ „Tommy, wer ist diese Frau?“ „Eine enge Freundin von uns! Jude…äh…Amy willst du dich nicht ein bisschen ausruhen? Ich bring dich ins Gästezimmer, okay?“ Sie nickte, ich ging vor und sie folgte mir. Sie fiel regelrecht auf das Bett und schlief sofort. Als ich runter ging, wartete Sarah schon auf mich. „Weiß sie nicht wer sie ist?“ Ich schüttelte den Kopf. „Amnesie. Sie kann sich nur Bruchstückhaft erinnern.“ „Was ist passiert? Sie sah so aus, als ob sie lange geweint hätte.“ „Ein Freund von ihrem jetzigen Leben ist gestorben. Ich glaube diesen Tod wird sie nie verkraften.“ Sarah schien nachdenklich, dann sagte sie: „Hast du Hunger? Ich hab gekocht.“ „Was zu essen wäre nicht schlecht.“ Nachdem ich gegessen hatte, schaute ich zu Melissa. Sie spielte gerade im Garten. Ich tollte mit ihr herum, wir spielten fangen und verstecken. Es war toll, ich konnte einen Augenblick meine ganzen Probleme vergessen. Nach einiger Zeit wurde Melissa müde und ich legte sie für ihren Mittagsschlaf nieder. Als ich rauskam, stand Jude vor der Tür. „Ich hab euch beobachtet. Melissa ist wirklich glücklich. Sie vergöttert dich. Du musst ein wirklich guter Vater sein.“ „Vielleicht bist du auch eine ganz gute Mutter.“ „Ich kann mich doch nicht mal wirklich an sie erinnern! Weißt du eigentlich wie furchtbar es ist, nicht zu wissen wer man ist! Was man eigentlich hier zu suchen hat! Ich konnte mich zwar an dich erinnern, aber auch nur, weil ich von dir geträumt habe, immer und immer wieder.“ Einzelne Tränen rannen über ihr Gesicht. Vorsichtig wischte ich sie weg. „Ich bin mir sicher, dass dir eines Tages alles wieder einfallen wird.“ „Vielleicht…“ Sie senkte ihren Kopf, ich hörte ein grummelndes Geräusch und bemerkte, dass es ihr Magen war. Sie hatte Hunger, wieso habe ich ihr nicht gleich was angeboten. „komm, ich gebe dir jetzt erst mal was zu essen.“ Sie folgte mir ohne irgendeinen Widerspruch. Nachdem sie drei Portionen verdrückt hatte, schlug ich ihr vor spazieren zu gehen. Es war zwar schon spät und etwas dunkel, aber es gab einen wunderschönen Sternenhimmel. Sie willigte ein. So gingen wir neben einander her, schwiegen. Als wir am See ankamen, blieb Jude stehen und warf einen Stein ins Wasser. „Hier ist es echt schön.“, meinte sie. „Ja, das ist es.“Ich setzte mich neben sie auf den Boden. Ich merkte, dass sie zitterte, zog meine Jacke aus und legte sie ihr um. „Tommy, dir muss doch auch kalt sein, behalt deine Jacke.“ „nein, mir ist nicht kalt, ich hab ja auch noch einen Pullover an.“ Sie bestand darauf, dass wir wenigstens nahe nebeneinander sitzen sollten, wegen der Körperwärme. Ich hatte nichts dagegen. Wir saßen da, schauten uns den Sternenhimmel an, auf einmal sah sie mich an, ich starrte zurück, sah in ihr Augen. Unserer Lippen näherten sich….
So endlich ein neues Kapitel! Hoff es gefällt euch!
Kapitel 29:
Ihre Lippen waren so weich, wie sehr hatte ich diese Nähe vermisst. Der Kuss wurde immer intensiver. Sie krallte ihre Finger in mein Haar, so wie sie es früher immer getan hatte. Ich schlang meine Arme um ihre Taille und zog sie näher an mich. Plötzlich löste sie sich von mir, sah mich an. „Was…was ist los Amy?“ „Ich…kann…mich an ein paar Sachen wieder erinnern. Ich glaube unser Kuss hat ein Déjà-vu bei mir ausgelöst.“ Begeistert sah sie mich an. „Tommy, vielleicht bin ich wirklich bald geheilt! Vielleicht kann ich mich eines Tages tatsächlich daran erinnern, wer ich bin!“ „Amy, das haben dir die Ärzte doch auch schon gesagt.“ „Ich weiß…ich konnte es nur nicht glauben, bis du aufgetaucht bist.“ Sie sah mir wieder in die Augen. „Soll ich dir helfen dich an noch mehr Dinge zu erinnern?“ Ich lächelte sie an, sie erwiderte es. „gern, Mr. Quinzy.“ Ich zog sie wieder an mich und küsste sie wieder. Diesmal war der Kuss leidenschaftlicher und dauerte länger an. Danach gingen wir Händchenhaltend nach Hause. Jude war ziemlich erschöpft, als wir zu Hause ankamen, daher legte sie sich nieder. Derweil hatte ich Zeit eine kleine Überraschung für sie zu planen. Ich fing an zu lächeln. Es würde ihr sicher gefallen… Als Jude wieder munter war, unternahmen ich, Melissa und Jude etwas zusammen. Melissa schien die Verbindung, die sie mit Jude als Mutter hatte, zu spüren, denn sie mochte sie auf Anhieb. Bei anderen Frauen war das anders. Zuerst gingen wir Eis-essen und danach in den Zoo. Jude kümmerte sich liebevoll um die Kleine. Es war so schön den beiden beim herumtollen zu zusehen. Ich hatte richtig das Gefühl, als wären wir eine kleine glückliche Familie. Wieder zu Hause angekommen, bracht Jude Melissa ins Bett und las ihr noch eine Geschichte vor, danach gesellte sie sich zu mir auf die Couch. Jetzt war es an der Zeit ihr von meinen Plänen zu erzählen. „Amy…ich möchte dir wirklich helfen dich an alles zu erinnern, nicht nur weil ich dich liebe, sondern auch wegen Melissa. Sie braucht dich und sie liebt dich, obwohl sie dich eigentlich nicht kennt. Darum habe ich mir gedacht, dass wir einen kleinen Urlaub machen. Wir werden morgen Abend wegfliegen.“ Sie sah mich erstaunt an. „Wo fliegen wir denn hin?“ „Lass dich überraschen.“ „Bitte sag‘s mir! Spann mich nicht so auf die Folter.“ „Morgen wirst du es sowieso sehen.“ „Du bist gemein“, das sagte sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Dann kuschelte sie sich an mich und wir sahen uns noch einen Film an. Stunden später legten wir uns ins Bett, Jude bestand darauf neben mir zu schlafen. Sie hat gesagt, sie habe Angst alleine in ihrem Zimmer, was ich ihr natürlich nicht glaubte, aber ich hatte nichts gegen ihre Gegenwart. Am nächsten Tag waren ich und Jude fast den ganzen Tag mit packen beschäftig, am Abend brachte uns ein Taxi zum Flughafen. „Letzte Aufrufung für den Flug nach Toronto!“ „Unser Flug wurde aufgerufen, wir müssen uns beeilen.“ „Wir fliegen nach Toronto?“ „Ja, beeil dich!“ Ich hatte Melissa auf dem Arm. Gemeinsam rannten wir zum Einchecken. Im Flugzeug sah mich Jude die ganze Zeit fragend an. „Amy, ich dachte es wäre an der zeit, dir deine Heimatstadt zu zeigen.“ „ich hab in Toronto gewohnt?“ Ich nickte. Wir redeten noch eine Weile, dann schlief Jude ein. Melissa schlief schon den ganzen Flug über. Ich betrachtete die zwei Menschen, die ich am meisten liebte, wie sie schliefen und es faszinierte mich die Ähnlichkeit der beiden. Melissa hatte wirklich alles von ihrer Mutter geerbt, außer den braunen Haare, die sie von mir hatte.
Am nächsten Tag: Vom Flughafen holte uns ein Taxi ab, das uns zu Stans, Judes Dad, Haus bringen sollte. Ich war total nervös, denn ich hatte noch niemanden außer Sarah darüber informiert, dass Jude am Leben war. Wir stiegen aus. Langsam schritten wir auf die Tür zu, ich läutete an. Von drinnen vernahmen wir, wie jemand leise fluchte und sich dann der Tür näherte. Er machte die Tür auf, schien Jude noch gar nicht zu bemerken, weil sich Melissa schon auf ihn gestürzt hatte. Als er aufsah meinte er: „Tommy schön dich zu sehen. Hat ja lange gedauert bis ihr mich wieder mal besucht.“ Erst jetzt schien er die 3.Person zu bemerken. „Hast du noch mehr besuch mitgebracht Tommy?“ Jude stand im Schatten, darum erkannte er sie nicht. Langsam trat sie aus dem Schatten heraus. „Dad?“ Stan sah mich geschockt an, dann starrte er Jude an. „Das ist doch nicht möglich! Jude? Schatz bist du es?“ „Ja Dad ich bin es.“ Sie rannte auf Stan zu, mit Tränen in den Augen und umarmte ihn. Auch Stan fing an zu weinen, dann sahen die beiden sich an und fingen an zu lachen. „Jude, ich hab dich so vermisst! Komm doch rein! Wollt ihr was zu trinken? Habt ihr Hunger?“ Er ließ Jude nicht mehr los und sie drängte sich an ihn. Die beiden waren so süß. Wir saßen in Stans Esszimmer beisammen und redeten, aßen und lachten viel. Der Abend war lang und wir genossen ihn. Als es schon ziemlich spät war, legten wir uns alle nieder. Am nächsten Morgen hatte Stan schon Frühstück gemacht, als Jude und ich aufstanden. Melissa half ihrem Opa beim Tisch decken. Ganz unvermittelt fragte Jude: „Können wir heute Traver besuchen?“ „Klar, das hatte ich sowieso vor!“ „ja, ich will auch Onkel Traver wieder mal sehen! Ich darf doch mit oder Daddy?“ „Natürlich Schatz, ohne dich würden wir nirgends hingehen!“ Zufrieden lächelte meine kleine Maus. Am Nachmittag standen wir vor Travers und Maikes Haus, dass sie sich letztes Jahr gekauft haben. Jude atmete einmal tief ein, dann klopfte sie. Ein gut gelaunter Mann rief heraus: „Ich komme!“ Traver riss die Tür auf. Dann, als er Jude erblickte, erstarrte er, bewegte sich nicht mehr. „Alles in Ordnung Bruderherz?“ „Jude?“ Ohne auf ihre Reaktion zu warten, umarmte er sie, drückte sie fest an sich. „Maike! Schnell komm!“ „Was ist denn hier los?“, fragte Maike. Traver trat zur Seite und enthüllte Jude. „Maike!“ „Jude“ Wieder folgte eine Umarmung. Danach lernte Jude ihre Nichte Jenny kennen. Jude war so glücklich und ich auch, da ich die vielen glücklichen Gesichter um mich herum sah. Der Abend war total schön