Hier meine neue Story. Hoffe euch gefällt die Storyline, die etwas anders ist...
bemühe mich auch sobald wie möglich bei Stolz & Vorurteil weiterzuschreiben
Beautiful, Dirty, Rich
PROLOGUE: „Sch****, Aiden! Wo zum Teufel steckst du? Wir müssen los“, sagte Jude panisch und aufgeregt ins Telefon. „Heute ist dein großer Tag! Du darfst endlich bei einer Band mitmachen. Klar, der Musikstil von Boyz Attack ist nicht gerade deiner, aber es ist schon mal ein Anfang. Und durch deine Connections, die du durch diesen Job bekommst, können wir zwei uns irgendwann mal den Traum verwirklichen, gemeinsam Musik zu machen“, nun klang ihre Stimme begeistert, als sie von ihrem Kindheitstraum sprach. Doch auf der anderen Seite des Telefons hörte sie nur Stille. Ein langes Schweigen. Dann seufzte ihr Zwillingsbruder laut in den Hörer. „Jude…Ich kann nicht kommen.“ „Was soll das heißen, du kannst nicht kommen? Verarscht du mich gerade? Aiden, du darfst deinen Traum nicht wegwerfen…“ „Du musst eine Möglichkeit finden, dass ich meinen Job behalte.“ „Moment mal. Ich soll dir schon wieder deinen Arsch retten, obwohl ich nicht einmal weiß, wo du dich gerade aufhältst, geschweige denn, warum du hier nicht aufkreuzt.“ „Ich erklär dir alles, wenn ich wieder da bin.“ „Aiden! Was soll ich denn bitte sagen?“ „Keine Ahnung. Das ich krank bin und im Krankenhaus liege, oder etwas in der Art.“ „Und tust du das wirklich?“ „Nein, mach dir keine Sorgen um mich.“ „Was soll ich machen, wenn…“ „Jude, tut mir leid, aber ich muss Schluss machen. Ich weiß, dass dir schon was einfallen wird. Ich hab dich lieb. Bis bald.“ „Heii, warte mal.“ Schon erklang aus dem Hörer nur noch das Tuten. Er hatte einfach so aufgelegt. Na toll. Nervös lief Jude in ihrem Zimmer auf und ab. Sie brauchte einen Plan. G-Major durfte nicht merken, dass ihr Bruder aufgrund privater Probleme nicht dort auftauchte. Er musste seinen Job behalten. Sie brauchte einen wirklich sehr, sehr guten Plan. Um etwas klarer denken zu können, stürmte Jude aufgebracht ins Badezimmer und wusch sich ihr Gesicht mit eiskaltem Wasser. Dann fiel ihr Blick in den Spiegel. Ein junges 17-jähriges Mädchen starrte ihr entgegen. Sie sah ihrem Bruder wirklich sehr ähnlich. Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Nun hatte sie ihren Masterplan.
KAPITEL 1: Boyz Attack erfolgreicher denn je! Award für Boyz Attack! Fans reißen sich um das neue Album der Popband Boyz Attack! Hot Boy(z)! Tommy saß in einer riesigen, schwarzen Stretchlimousine, die mit vielen Sofas, einer Bar und sogar einem Minipool ausgestattet war, und blätterte durch die vielen Zeitschriften, die über seine Band berichteten. Seine Füße lagen ausgestreckt auf dem gegenüber liegendem Couchtisch. Zudem schlürfte er noch eine Tasse Kaffee. Nach einer Weile verlor er das Interesse an den Klatschzeitschriften, denn alle berichteten immer über das Gleiche. Es langweilte ihn. Er streckte seine Hand aus, schob sich den Ärmel ein wenig höher, damit er einen Blick auf seine Uhr werfen konnte. Mit Bedauern stellte er fest, dass er wieder einmal zu spät kommen würde. Nun ja, das Team von G-Major, Darius und der Rest der Band müsste sich mittlerweile daran gewöhnt haben. Trotzdem gab er durch eine Gegensprechanlage dem Fahrer die Anweisung, etwas schneller zu fahren. Als er vor G-Major angekommen war, setzte er zuerst seine Sonnenbrille auf, bevor er mit einem charmanten Lächeln die Limousine verließ. Draußen erwarteten ihn schon eine Horde Paparazzi und ein Haufen weiblicher, kreischender Fans. Cool und gelassen schlenderte er über den roten Teppich, strahlte in die Kameras und kokettierte mit seinen weiblichen Fans, wenn er ihnen ein Autogramm gab. Zuvorkommend und ein wenig flirtend meinte er: „Wem darf ich diese Signatur denn widmen?“ Wieder lächelte er liebenswert und zwinkerte ihnen zu. Dadurch verlor sogar eines der Mädchen das Bewusstsein. Schnell half er dieser Dame wieder auf die Beine und da sie ihm gefiel schrieb er auf das Autogramm: „Für eine wunderschöne Perle. Tommy Q.“ Darunter platzierte er noch seine Handynummer. Sie konnte ihr Glück gar nicht fassen. Die ganze Zeit über presste sie das Papier mit einem überglücklichen Grinsen an sich. Unaufhörlich dachte sie über Tommy und seine coole und charmante Art nach. Er war der beliebteste, attraktivste und bezauberndste in der Band. Zudem eilte ihm sein Ruf als böser Junge voraus, was viele Mädchen sehr anziehend fanden. Nach einer Weile wandte sich Tommy von den Kameras und seinen Fans ab. Davor winkte er ihnen aber ein letztes Mal noch zu. Er konnte es einfach nicht lassen. Schnellen Schrittes spazierte er in den Meeting-Raum von G-Major. Dort wurde er schon ungeduldig von Darius Mills, seinem Chef, erwartet. Zynisch meinte dieser: „Schön, dass du auch endlich die Zeit gefunden hast, dich hier blicken zu lassen…“ Er rieb sich seine Stirn. Dieser Tommy bereitete ihm immer wieder Kopfschmerzen. Mikel, der jüngste in der Band, fragte etwas gelangweilt: „Jo, D. Was steht an? Warum hast du uns alle rufen lassen? Wir hatten schon lange kein Meeting mehr…nicht seit Jeremy uns seinen Ausstieg bekannt gegeben hat…“ „Genau darüber wollte ich mit euch sprechen…denn ich habe endlich einen geeigneten Nachfolger für Jeremy gefunden. Er versteht seine Arbeit und weiß, was er macht…“ „Wo hast du ihn den aufgetrieben? War er beim Casting dabei?“, fragte Stan. Tommy konnte da nicht mitreden, denn das letzte Casting hatte er geschwänzt. Er hatte es vorgezogen die Gesellschaft einer jungen Dame zu genießen als sich das stinklangweilige Schauspiel anzusehen, das sich ihm geboten worden wäre, hätte er den Möchtegernkünstler zugehört, die keine Töne trafen. So hatte er sich etwas zugute getan. „Ja, aber keiner von euch war dort, da er aufgetaucht ist, nachdem das Casting zu Ende war. Zu Beginn wollte ich ihm keine Chance geben, doch seine Stimme, die einem Engel gleicht, hat mich dann überzeugt. Und auch der Song, den er selber geschrieben hat. Noch dazu kann er Gitarre spielen, deshalb ist er die beste Besetzung für Jeremy.“ Auf einmal klopfte es an der Tür. „Ja, bitte?“ Zögerlich wurde die Tür geöffnet. Irgendjemand trat ein, doch Tommy konnte nicht erkennen wer, da das Sonnenlicht ihn blendete. Erst als dieser jemand die Tür wieder schloss, erkannte Tommy den kleinen, ziemlich lächerlich wirkenden Jungen, der ängstlich vor dem großen Tisch stehen blieb und seinen Blick gesenkt hatte. Seine Klamotten waren genauso komisch, wie sein Auftreten. Er trug einen sehr weiten, grauen Pullover mit einem grünen, aufgedruckten Äffchen. Seine schwarze Hose war genauso schlabbrig. Auf dem Kopf hatte er ein grünes Kap, das er verkehrt aufhatte. „Er sieht wirklich lächerlich aus. Und mit sowas soll ich in einer Band sein? Der ist ja noch nicht mal halb so alt wie wir. Der hatte noch nicht mal Bartstoppeln! So ein Milchbubi. Und selbstbewusst ist er auch nicht, denn ansonsten würde er sich ja mal vorstellen, doch er bekommt nicht einmal den Mund auf! Er kann uns nicht einmal in die Augen blicken!“, dachte Tommy. Darius meinte strahlend: „Das ist Aiden Harrison. Er ist eurer neues Mitglied und das offiziell, denn den Vertrag hat er heute Morgen unterzeichnet.“ Wieder dachte Tommy mürrisch: „Nach unserer Meinung fragt er nicht mal. Darius tut immer, was ihm gefällt. Ich konnte diesen aufgeblasenen Snob schon lange nicht mehr ertragen.“ Stolz präsentierte Darius den Vertrag. Von der Wut gepackt, stand Tommy auf und riss Darius das Papier aus der Hand und zog den geschockten Aiden mit sich. Mikel und Stan folgten. Gemeinsam schlossen sie sich in einem Studio ein. Mit einem wirklich Angst einflößenden Unterton warnte Tommy Aiden: „Nur weil Darius dich in die Band geholt hat und du diesen Vertrag unterschrieben hast…“ Mit einer Handbewegung deutete er auf das Blatt Papier. „…heißt das nicht, dass wir dich akzeptieren! Du musst uns erst überzeugen!“ Tommy funkelte Aiden böse an. Dieser hatte seinen Blick immer noch gesenkt und hatte seinen Mund zu einem spöttischen Lächeln verzogen. „Zeig uns eine Kostprobe deines Könnens!“ Mikel und Stan nickten zustimmend. Doch im Raum blieb es still. Aiden machte keine Anstalten zu singen zu beginnen. Mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck meinte Tommy: „Ich habe mir schon gedacht, dass du das nicht kannst…umso besser für uns…“ Er hob den Vertrag hoch und war kurz davor ihn zu zerreißen, als plötzlich eine engelsgleiche Stimme den Raum durchflutete. Überrascht ließ er seine Hände mit dem Vertrag wieder sinken und starrte den singenden Aiden an. „F***! Das kann doch nicht möglich sein! Diese Stimme hätte ich diesem dahergelaufenen…Knaben …niemals zugetraut! Ich kann es nicht fassen…doch Darius hatte die Wahrheit gesprochen…Dieser Klang war unbeschreiblich schön…man konnte ihn gar nicht vergessen…“, überlegte Tommy. Auch Stan und Mikel hatte Aiden in seinen Bann gezogen. Noch nie zuvor hatten sie so viel Gefühl in einer Stimme mitschwingen hören. Beiden hing die Kinnlade runter. Sie waren so fasziniert, dass sie nicht einmal mitbekamen, wie Darius und sein Assistent dabei waren, sie zum Öffnen der Tür zu bewegen. Sie befürchteten, dass die drei Aiden etwas antun würden. Sie hämmerten gegen den Zugang zum Studio. Aber niemand bemerkte dies. Als Aiden geendet hatte, schlenderte er auf Tommy zu, der ihn immer noch ungläubig betrachtete. Ohne zu zögern, nahm Aiden ihm den Vertrag aus der Hand und merkte an: „Es sieht so aus, als hätte ich euch überzeugt. Vielleicht solltet ihr nächstes Mal nicht so voreilig sein, wenn ihr ein Urteil über eine Person bildet, die ihr noch gar nicht kennt. Aber wie ich sehe, hat mein erster Eindruck mich nicht getäuscht. Ihr seid drei sehr aufgeblasene und von euch selbst eingenommene Künstler.“ Dann ging er an den drei vorbei, öffnete lässig die Tür und überreichte Darius wieder den Vertrag. „Pass nächstes Mal besser darauf auf, Darius. Wir wollen ja nicht, dass er in die falschen Hände gerät.“ Nun schlenderte Aiden weiter und verschwand bald aus dem Blickfeld der Anwesenden. Tommy stürmte auf Darius zu. „Ich muss zugeben, dass seine Stimme wirklich toll ist. Aber…er ist so anmaßend…“ „Er ist nichts im Vergleich zu dir, T.Q“, meinte Darius gelassen. Tommy sah ihn beleidigt an. Doch dann klopfte Darius ihm lachend auf die Schulter. Gemeinsam gingen sie wieder in den Meeting-Raum, wo sie den Rest besprachen, was den Ablauf der nächsten Tage anging. Aiden gesellte sich erst eine Weile später wieder zu ihnen. Nach dem Meeting näherte sich Tommy Aiden. „Ich sehe schon, dass es nicht leicht wird mit dir…“ „Mit mir? Wohl eher mit dir, Tommy Q. Man erzählt sich viel über dich, dass du ein Frauenheld bist, was offensichtlich ist, dass du egoistisch bist und vor allem keine Ahnung von Stil hast. Allein schon deine Haare…“ Aiden fuhr ihm durch die gegellten Haare. „Hat er gerade meine Haare angefasst?! Das hat er nicht getan! Oh mein Gott, was bildet der sich ein!“ Tommy wollte irgendetwas erwidern, doch ihm vielen die passenden Worte nicht ein, deshalb schluckte er sich seinen Ärger runter und starrte Aiden hinterher, wie er davon ging. Dieser Kerl hatte vielleicht einen komischen Gang. Es wirkte ziemlich unnatürlich, so als müsste Aiden sich bemühen diesen Gangart zu imitieren. Tommy schüttelte seinen Kopf.
KAPITEL 2: Noch am selben Tag schickte Darius die Band zum Proben in ein Studio. Aidan betrachtete alles neugierig, fasste alles an, was ihm zwischen die Finger kam und sein Blick blieb immer wieder bei den aufgehängten Platin-CDs hängen. „Auf eurem 6. Album werden Großteils die von Aidan geschriebenen Lieder vertreten sein, denn ich finde, dass Aidans Stil der Musikrichtung von Boyz Attack eine neue Frische verleiht. Ich bin mir sicher, dass die Fans dieses neue Werk von euch lieben werden und das nur dank Aidan. Ich hoffe, ihr nehmt ihn gut in die Band auf, immerhin werdet ihr ihm viel zu verdanken haben. Und nun solltet ihr ein bisschen proben, damit ihr euch aneinander gewöhnen könnt.“ Obwohl Darius die ganze Zeit Aidan in höchsten Tönen vor versammelter Mannschaft gelobt hatte, fühlte dieser sich nicht angesprochen. Im Gegenteil: Er war vertieft in das Betrachteten der Platten. Während plötzlich Stan auf ihn zu ging, beobachtete Tommy skeptisch die Situation. „Es ist toll, dass die Band so viel Erfolg hatte. Ich weiß noch, als uns zum ersten Mal eine dieser Platten überreicht wurde. Es war diese hier…“, kurz deutete er auf die am weitesten links hängende Platte, „in dem Moment zitterten meine Knie. Ich dachte, ich würde gleich umkippen. Doch als ich dann mit meinen Händen die Platte berührte, liefen mir Freudentränen herunter. Damals war ich 18, also so alt wie du. Und ich bin mir sicher, dass du genauso viel erreichen wirst, wie ich…Immerhin ist deine Stimme einfach umwerfend.“ Aidan wandte sich zu Stan und teilte ihm das leise mit: „Du musst nicht nett zu mir sein, nur weil Darius es gesagt hat. Ich hab schon gecheckt, dass ihr mich nicht leiden könnt…“ „Heii…es tut mir leid, dass ich zuvor so skeptisch war…aber können sich Meinungen nicht ändern? Wie wäre es, wenn wir noch einmal von vorne anfangen? Ich bin Stan…“ Er streckte Aidan die Hand entgegen. Nur sehr zögerlich ergriff Aidan diese und murmelte: „Aidan. Nett dich kennenzulernen…“ Stan wunderte sich, dass Aidan immer so schüchtern wirkte, obwohl er doch vorhin noch so wortgewand mit ihnen gesprochen hatte. Doch er sagte nichts. Aidan gesellte sich nun zu Darius. Während Stan die beiden betrachtete, flüsterte Aidan Darius irgendetwas zu. Stan hatte keine Ahnung, warum die beiden etwas zu betuscheln hatten. Er beobachtete die Szene, blickte sich um. Mikel stand abseits und langweilte sich. Tommy war dabei die Sekretärin des Chefs anzugraben, die sich geschmeichelt fühlte. Als sein Blick zu Darius und Aidan zurückkehrte, war Aidan verschwunden. Stan näherte sich und fragte: „Wo ist Aidan?“ „Er musste weg. Familiäre Probleme.“ Mehr sagte Darius nicht. Immerhin musste Stan ja nicht wissen, dass Aidan zur Schule musste, um keine Probleme zu Hause zu bekommen.
Jude stand vor dem Spiegel in der Männertoilette und machte sich ein wenig frisch. Zuvor hatte sie sich ihrer Männerklamotten entledigt, die nun in ihrer super-mega großen Handtasche verstaut waren. Und sie fühlte sich erleichtert, endlich diese Stoffbinden losgeworden zu sein, die sie zuvor um ihre Busen gewickelt hatte. Der Abdruck zeichnete sich auf ihrer Haut noch ab. Sie hatte sich gründlich umgesehen, um sich zu vergewissern, dass in dieser Herrentoilette kein Mann vorzufinden war, damit niemand sie entdeckte. Auch ihre braun-Kurzhaar-Perücke, die ihr Frank gegeben hatte, hatte sie abgelegt und zum Vorschein kam ihr blond-goldenes Haar. Frank hatte wirklich gute Arbeit geleistet, sie in ihren Bruder zu verwandeln. Zum Glück arbeitete Frank bei G-Major. So konnte sie wenigstens irgendjemanden ins Vertrauen ziehen. Zur Krönung der Unkenntlichkeit setzte sie noch eine schwarze Sonnenbrille auf, durch dessen Gläser man ihre Augen nicht einmal vermuten konnte. Zuletzt schlüpfte sie noch in ihre Converse und griff sich ihre Tasche. Dann ging sie aus der Männertoilette. Ohne Vorwarnung stolzierte Tommy plötzlich auf sie zu. Jude hielt den Atem an. Er konnte ihr Geheimnis nicht gelüftet haben…oder? Sie wich ein paar Schritte zurück. So weit, bis sie an der Wand anstand. Verzweifelt suchte sie einen Ausweg aus diesem Schlamassel. Tommy hatte sie schon fast erreicht. Er lächelte immer noch. Auf einmal platzierte Tommy seine Hand neben ihren Kopf, um sich abzustützen. Dann ließ er sich ziemlich weit zu ihr nach vorne und meinte kokett: „Na, Schätzchen…Dich habe ich hier ja noch nie gesehen…“ „Wenn du wüsstest…“; dachte Jude erheitert. „Hast du dich nicht verlaufen?“ „Ich? Nein, wieso?“ „Weil du gerade aus der Männertoilette gekommen bist…“ „Wirklich? Muss wohl die Schilder verwechselt haben…Nun, danke, dass du mich auf meinen Fehler hingewiesen hast. Warst mir echt eine große Hilfe…Wenn du mich entschuldigen würdest…“ „Nicht so schnell. Wir haben uns doch gerade erst kennengelernt…Ist es nicht unhöflich von dir, dich nicht einmal vorzustellen?“ „Vielleicht will ich dir meinen Namen nicht nennen, da ich weiß, dass wir uns nie wieder begegnen werden…“ „Oh…jetzt hast du meine Gefühle verletzt…Willst du mich nicht auf einen Kaffee einladen, um dich bei mir zu entschuldigen?“ Sein Mund war immer noch zu einem charmanten Lächeln verzogen. „Danke, aber darauf habe ich keine Lust…“ „Du gefällst mir…“, er wollte noch etwas hinzufügen, doch wurde von Jude unterbrochen. „Deine schmierigen Anmachsprüche missfallen mir dafür. Ich habe wirklich keinen Bock darauf, dich näherkennenzulernen. Ich weiß, worauf du aus bist. Und ich bin keine Frau für eine Nacht. Also, auf Wiedersehen, Little Tommy Q.“ Jude schlüpfte unter seinem Arm hindurch und eilte aus G-Major. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. „Verdammt!!“ Sie würde mit Sicherheit zu spät zur Schule kommen. Jude wartete an der Bushaltestelle gegenüber von G-Major. Plötzlich fuhr jemand in einer schwarzen Limousine vor. Der Fahrer stieg aus, schob Jude zu einer der Hintertüren und zwang sie einzusteigen. Drinnen erkannte Jude Tommy. „Was soll das werden? Willst du mich jetzt auch noch entführen?“ „Nein, ich dachte nur, ich bringe dich, wohin du willst. Ich habe dich ziemlich lange aufgehalten und darum möchte ich mich bei dir entschuldigen…“ „Wenn du mich zur Schule bringst, vergesse ich diesen Vorfall…“ „Du gehst noch zur Schule?“ „Natürlich. Ich bin erst 18 ¾ Jahre alt. Was sollte ich denn sonst machen?“ Tommy erwiderte nichts. Die Limousine setzte sich in Bewegung. „Wohin wüschen Sie zu fahren, Mr. Quinzy?“ Jude sprach für Tommy. „Zur East High-School. Bitte.“ „Ah, du gehst also auf eine Musikschule…Ich habe eine private Ausbildung genossen…“ „Heii, nur weil ich mit dir in diesem Wagen sitze, heißt das noch lange nicht, dass ich über Vergangenheit oder privates reden möchte.“ „Schon gut…ich schweige ja schon.“ Doch dann stand er auf und setzte sich neben sie. Plötzlich begann er ihre Schulter zu streicheln. „Jede andere Frau wäre glücklich an deiner Stelle…“ „Dann solltest du dir eine andere suchen, denn ich finde dich total abstoßend und widerlich. Ich will hier sofort raus und wenn der Wagen nicht anhält, dann öffne ich die Tür und springe raus.“ Jude bebte vor Wut. Dieser Tommy war ihr schon von Anfang an total unsympathisch gewesen. Der Wagen hielt und sie stieg aus. Während sie mit schnellem Schritt zur nächsten Bushaltestelle ging, fuhr der Wagen neben ihr im Schritttempo und Tommy ließ sein Fenster herunter. „Solltest du es dir anders überlegen, ruf mich an.“ Dann gab der Fahrer Gas und hinterließ eine Menge schmutzigen Wasser auf Jude, da er in die riesengroße Latsche neben ihr gefahren war. Gott, sie konnte Tommy echt nicht ausstehen.
Als sie auf dem Weg nach Hause war, war sie schon ziemlich erschöpft. Zuerst die Proben bei G-Major und dann auch noch Schule. Zudem kam, dass sie total angepisst von Tommy war. Was bildet der sich eigentlich ein? Hält sich wohl für unwiderstehlich! Und er konnte nicht einmal einsehen, dass sie einfach nichts von ihm wollte. Wahrscheinlich passierte das in seinem Leben nicht sehr oft. Doch ihrer Meinung nach, war er gar nicht so unwiderstehlich, wie alle Welt tat. Seine Gedanken waren praktisch besessen von Frauen. Noch dazu fand sie ihn auch schon zu alt. Er mit seinen 25 Jahren. Doch kurz vor der Auffahrt zum Haus ihres Onkels blieb Jude stehen. Dann machte sie kehrt und rief sich ein Taxi. Auf dem Friedhof angekommen, wählte sie den kürzesten Weg zum Grab ihrer Eltern. Ja, ihr ganzes Leben lang hatte sie nur Verluste erlitten. Ihre Eltern hatten die Familie schon früh, aufgrund eines Autounfalles verlassen. Jude und Aidan waren damals erst sechs Jahre alt gewesen. Und ihre große Schwester Sadie bereits 12. Sie kamen dann zu ihrem Onkel, der dem Jugendamt verschwieg, dass er Alkoholiker war. Es war nie leicht mit ihm. Immer nur schrie er die beiden Mädchen an und erlegte ihnen abertausende Strafen, wenn sie seiner Meinung nach nicht artig waren. Sie hatten nie eine Kindheit gehabt. Doch wenigstens waren sie zusammen gewesen. Jude saß vor dem Grab ihrer Eltern und zündete eine Kerze an. Schnell pflückte sie noch ein paar Blumen von der Wiese neben dem Friedhof. Danach setzte sie sich wieder auf den großen Stein vorm Grab ihrer Eltern. Sie dachte an Sadie. Wie es ihr wohl gehen mag? Sie hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Nicht seitdem sie im Gefängnis saß und ihr Onkel ihr verboten hatte, sie zu besuchen. Jude wusste nicht einmal, weswegen ihre Schwester eingesperrt worden war und ihr Onkel gab ihr auch keine Antworten. Jude wusste nur, dass Sadies 7-jährige Tochter nun in ein Heim gebracht worden war. Ja, das war Judes zweiter Verlust gewesen. Denn als Sadie 16 war, wurde sie von irgendeinem Kerl schwanger. Sie wusste nicht, wer der Vater war. Ihr Onkel hatte sie vor die Tür gesetzt und Sadie war zu einer Freundin außerhalb von Toronto gezogen. Von da an war Jude und Aidan alleine mit ihrem Onkel. Mit jedem weiteren Tag fühlten sie sich dort, wie Gefangene. Jude bat ihre Eltern auf Sadie und Olivia, ihre Tochter, achtzugeben. Dann verließ sie den Friedhof und machte sich auf den Weg nach Hause. Dort angekommen, wartete bereits ihr Onkel auf sie. Wieder total betrunken lallte er: „Wo warst du? Weißt du eigentlich, wie spät es ist?“ „Nein, und du?“ „Nicht in diesem Ton junges Fräulein. Beweg dein Arsch hier rein und geh in dein Zimmer, du hast Hausarrest!“ „Darf ich nicht einmal mehr meine Eltern besuchen?!“ Ihr Onkel zog sie am Ohr und schleppte sie in ihr Zimmer. „Au! Du tust mir weh! Lass mich los.“ Dann schloss er sie in ihrem Zimmer ein. So war es schon immer gewesen und so wird es wahrscheinlich immer sein. Traurig ließ Jude sich auf den Boden sinken und umschlang ihre Beine. Sie blickte sich in ihrem Zimmer um. Hier war alles so kalt und lebenslos eingerichtet. Sie hasste dieses Zimmer. Sie hasste dieses Haus. Aber vor allem hasste sie ihren Onkel. „Jude, wo steckt eigentlich dein missratener Bruder?“ Tja, wenn sie das wüsste.
KAPITEL 3: Am nächsten Tag nach der Schule hatte Jude sich bereits als Mann verkleidet und war auf dem Weg zu G-Major. Wieder hatte sie weite Klamotten an, damit man ihre weiblichen Rundungen nicht bemerkte. Die anderen haben wahrscheinlich schon ohne sie angefangen. Darius wusste, dass sie noch Schule hatte, deshalb wird das kein Problem sein. Als sie bei G-Major angekommen war, bemerkte Jude, dass Darius und Tommy sich im Büro anschrien. Ohne den Blick abzuwenden, gesellte sie sich neben Stan, der die Szene mit verschränkten Armen beobachtete. „Was ist den passiert?“, fragte Jude mit ihrer verstellten Stimme. „Sie streiten sich.“ Nein, wirklich? Man, wie blöd waren Männer eigentlich. „Und weswegen?“ „Dass du erst jetzt auftauchst. Tommy hat damit ein großes Problem, da er meint, dass du die Band nicht ernst nimmst.“ „Hat Darius denn nicht gesagt, dass ich noch zur Schule gehe?“ Stan sah sie verwundert an. „Nein. Nimmst du dir denn keinen Privatlehrer?“ „Ich möchte lieber ein halbwegs normales Leben führen. Darum will ich meinen Abschluss auch auf der East Highschool machen.“ Stan zuckte die Schultern und zog sich dann in die Lounge zurück. Nach einer Weile des Gefechtes stapfte Tommy wütend aus dem Büro. Als er dann auch noch Aidan erblickte, wäre er beinahe geplatzt. Mit erhobenen Zeigefinger ging er auf Aidan zu und schrie: „Du!!! Was bildest du dir eigentlich ein? Wegen dir können wir jetzt vormittags immer nur ohne dich proben, obwohl du es dringend nötig hättest! Und aufnehmen können wir erst am Nachmittag!“ Ohne ein weiteres Wort rauschte er an ihr vorbei in die Richtung, in die auch Stan verschwunden war. Darius rief sie zu sich ins Büro. „Aidan, bitte setz dich.“ „Darius, ich kann die Schule nicht schmeißen, nur weil Tommy meint, dass ich das alles nicht ernst nehme.“ „Das weiß ich und ich verlange es auch nicht. Tommy hat sich schon immer so aufgespielt, ganz gleich um was es ging.“ Jude spielte mit einer Skulptur auf Darius Schreibtisch. „Ich wollte dich nur darüber informieren, dass wir morgen euer erstes Video drehen. Und den Song werden wir heute aufnehmen. Ich möchte, dass ‚Angel‘ euer erstes Lied wird.“ „Warum ausgerechnet der?“ Jude wollte eigentlich nicht, dass der Song veröffentlicht wurde, da sie ihn für ihre Eltern geschrieben hat. „Weil wir dazu ein tolles Videokonzept machen konnten. Es wird darin um euch 4 gehen. Und einen Engel, der euch begleitet. Dafür haben wir schon ein Model gebucht. Noch dazu vermittelt der Song so viele Emotionen. Er ist perfekt.“ Obwohl Jude den Song nur ungern veröffentlichte, ging sie ins Studio, um ihn mit den Jungs aufzunehmen. Tommy hatte immer noch eine bombastische Stimmung. Trotzdem wurde der Song der absolute Hammer.
Spend all your time waiting For that second chance For a break that will make it okay There's always some reason To feel not good enough And it's hard at the end of the day
I need some distraction Oh, beautiful release Memories seep from my veins I may be empty And weightless, and maybe I'll find some peace tonight
In the arms of the angel Far away from here From this dark, cold hotel room And the endlessness that you feel You are pulled from the wreckage Of your silent reverie You're in the arms of the angel May you find some comfort here
So tired of the straight life And everywhere you turn There's vultures and thieves at your back Storm keeps on twisting You keep on building the lies That you make up for all that you lack It don't make no difference Escape one last time It's easier to believe In this sweet madness Oh, this glorious sadness That brings me to my knees
In the arms of the angels Fly away from here From this dark, cold hotel room And the endlessness that you feel You were pulled from the wreckage Of your silent reverie You're in the arms of the angel May you find some comfort here
You're in the arms of the angel May you find some comfort here
Nach dem Aufnehmen kritisierte Tommy Jude schon wieder. Gereizt meinte diese: „Sag mal, hast du deine Tage oder so?“ Tommys Gesicht lief rot an und er erwiderte nichts, sondern ging einfach nach draußen.
Am nächsten Tag am Nachmittag hatten sie alle Szenen für das Musikvideo im Kasten, bis auf die mit dem Engel, denn das Model war noch nicht aufgetaucht. Darius ließ die 4 Boyz Attack Mitglieder zu sich rufen. „Wir haben ein kleines Problem. Das Model hat abgesagt, da der Scheck, den ich ihr gegeben habe, nicht gültig ist. G-Major steht kurz vor dem Bankrott, daher brauchen wir auch dieses neue Boyz Attack Album und ein bombastisches Video, um es zu vermarkten. Ich habe mich bereits mit dem Regisseur eures Videos unterhalten und wir haben jetzt eine Konzeptänderung. Denn ihr werdet die Engel sein und geistert um irgendwelche Leute umher. Dabei gibt es auch eine Swimmingpoolszene.“ Jude riss die Augen auf. Swimmingpool hörte sich in ihren Ohren nicht sehr gut an. Denn da würden sie ihr bestimmt auf die Schliche kommen und alles, was sie für ihren Bruder getan hatte, war umsonst. Sie versuchte keine Panik zu zeigen und meinte gelassen: „Ähm…was werden wir denn im Swimmingpool anhaben?“ Darius sah Jude verwundert an. „Nun, wir dachten, dass eine normale Badehose etwas plump wirkt, deshalb werdet ihr weiße Anzüge tragen, um alles ein wenig engelhafter zu gestalten.“ Jude war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Tommy dachte spöttisch, ob Aidan vielleicht körperlich missgebildet sei, weil er in keinem Einteiler in den Pool wollte. Jude wurde von Frank fertig gemacht. „Du musst darauf achtgeben, dass deine Stoffbinden nicht verrutschen, denn sonst würde man durch das Wasser unter dem weißen Stoff deine wahre Natur entdecken.“ „Wird gemacht.“ „Aber was machen wir, damit deine Perücke hält…?“ An das hatte Jude noch gar nicht gedacht. „Oh Mann, ich bin sowas von im A****.“ „Nein, ich habe die Lösung. Wir verwenden einfach die Klebestreifen, die man sonst dazu benützt, damit die Kleidung nicht verrutscht.“ „Und du denkst, dass das hält?“ „Muss es.“ Nach einer Weile standen die vier ‚Männer‘ vor dem Pool. Jude war etwas nervös. Sie hoffte, dass man nicht herausfinden würde, dass sie ein Mädchen war. Dann hätte sie alles verdorben. Doch der Dreh verlief super. Jude machte unter Wasser eine sehr gute Figur. Nach dem Dreh gingen sich alle umziehen, aber Jude wartete noch eine Weile. „Kommst du?“, fragte Stan. „Gleich. Ähm…ich habe was verloren…“ „Okay. Wir sehen uns ja dann.“ Jude versteckte sich in einer Ecke, um sich umzuziehen. Das Licht in der Halle war bereits ausgemacht worden. Doch plötzlich ging das Licht wieder an und Tommy meinte: „Danke Jungs. Ich bin so tollpatschig. Vergesse doch glatt meine Tasche.“ Jude blickte neben sich. Dort stand eine schwarze Tasche. Er würde auf sie zukommen und sie nur mit den Stoffbinden bekleidet sehen. Dann würde er erkennen, dass sie ein Mädchen war. Was sollte sie nur tun? Sie musste einen Ausweg finden. Ihr Blick fiel auf das Pool. Natürlich. Sie holte einmal tief Luft und ließ sich dann fast lautlos hinein gleiten. Sie tauchte unter und hoffte, dass Tommy bald gehen würde. Aber dann merkte Jude, wie sich ihre Perücke anfing zu lösen. Sie versuchte diese, so gut wie möglich festzuhalten. Plötzlich entwich ihr angehaltene Luft, die dann an der Wasseroberfläche zu Bläschen wurden. Über sich erkannte Jude, dass eine Person sie beobachtete. Na toll. Jetzt wurde sie erst recht entdeckt. Es fiel ihr immer schwerer unter Wasser zu bleiben, da sie Luft holen musste. Kurze Zeit später hörte sie, wie jemand ins Wasser sprang. Danach wurde ihre Hand gepackt und jemand zog sie nach oben. Ihre Perücke war zwar etwas verrutscht, saß aber immer noch auf ihrem Kopf. Tommy hatte ihr eine Decke umgelegt. Sie spuckte erst mal Wasser. Dann murmelte sie leise: „Danke…“ „Hätte ich dich etwa ertrinken lassen sollen? Was wolltest du überhaupt noch im Pool?“ „Bin ausgerutscht.“ „Hast du dir wehgetan?“ Jude schüttelte den Kopf. Sie war nur sehr erleichtert, dass ihr Tommy nicht auf die Schliche gekommen war. „Ich werde jetzt nach Hause gehen.“ „Soll ich dich fahren?“ „Nein, danke. Sehr nett. Aber es geht schon.“ Jude stand auf und war noch etwas wackelig auf den Beinen. Sie beeilte sich in irgendeine Toilette zu kommen, um sich umzuziehen. Danach rief sie sich ein Taxi und fuhr zum Haus ihres Onkels.
KAPITEL 4: Bei ihrem Onkel angekommen, gab es natürlich gleich wieder Ärger, da es schon nach elf war. „Du machst nichts als Ärger! Ich hätte dich damals mit deiner Hurenschwester rausschmeißen sollen!“ „Sie ist keine Hure!“ „Drum weiß sie ja, wer der Vater ihres Kindes ist. Jude, wach auf. Deine Schwester ist eine Versagerin. Mit 16 schwanger mit einem kleinen Hosenscheißer und mit 23 sitz sie im Gefängnis. Tolles Leben.“ Jude warf ihm giftige Blicke zu. „Du, dein Bruder und deine Schwester solltet mir dankbar sein! Immerhin habe ich euch ein Zuhause gegeben…ich habe so viel für euch getan! Mein ganzes Leben musste ich umkrempeln!“ Plötzlich wich alle Emotion aus Judes Gesicht, als sie mit leeren Augen sagte: „Du hast gar nichts für uns getan…du hast uns lediglich erlaubt, in deinem Haus Gast zu sein…niemals waren wir hier willkommen oder gar Zuhause…Wir mussten so viel tun, damit du uns nicht rausgeworfen hast! Nahmen alle Strafen hin, auch wenn sie ungerecht waren! Aber am schlimmsten war, dass du uns gezwungen hast zu stehlen! Es war so demütigend, zuzusehen, wie sie dich durchsuchten, doch du hattest nichts bei dir und die kleinen unschuldigen Kinder verdächtigte man nicht. Wir hatten jedes Mal solch eine Angst, dass man uns auf die Schliche kommt! Doch dir war das egal! Für dich zählte einzig, dass du wieder eine Flasche in den Händen hieltest! Niemand wird je gegen deine Alkoholsucht ankommen! Du bist nur ein versoffener Penner, der den ganzen Tag lang in seinem Sessel sitz, Bier trinkt und fernsieht! Und das nennst du ein tolles Leben?“ Plötzlich holte ihr Onkel aus und schlug ihr ins Gesicht. Die Wucht des Schlages ließ Jude zurücktaumeln. Sie hielt sich ihr Gesicht, betroffen waren ihr linkes Auge, sowie ihre Lippen, die aufgesprungen waren und bluteten. „Und jetzt schlägst du mich auch noch…du bist ein Monster geworden…Ich werde meine Sachen packen und gehen, denn selbst unter irgendeiner schäbigen Brücke ist es besser als hier bei dir!“ „Hau doch ab! Verschwinde, genauso, wie deine Mutter und deine Schwester!“ Jude stürmte in ihr Zimmer, kramte einen alten Koffer hervor und warf alles hinein, was ihr etwas bedeutete und ein wenig zum Anziehen. Danach zog sie sich noch eine Jacke an und nahm ihren Koffer. Ohne ein Wort des Verabschiedens knallte Jude die Tür zu und ging nach draußen. Auf einmal fühlte sie sich etwas leichter. Sie hasste dieses Haus. Sie hasste ihren Onkel. Doch nun war sie nicht mehr Teil ihrer Gefangenschaft. Obwohl ihr Auge pochte und ziemlich weh tat, ging sie weiter. Da sie keine Ahnung hatte, wo sie hinsollte, fuhr sie mit der Bahn zu G-Major und setzte sich dort vor dem Gebäude auf eine Bank. Sie suchte in ihrem Koffer nach einer Salbe, die sie sich auf ihr Auge schmieren konnte, doch fand keine. Sie hatte alle ihre Kosmetika im Bad ihres Onkels vergessen. Sie kramte ihr Handy hervor und rief ihren Bruder an: „Aidan?“ Doch es war nur seine Mailbox. Plötzlich musste Jude anfangen, bitterlich zu weinen. Was sollte sie denn jetzt machen? Wo sollte sie hin? Auf einmal gesellte sich ein Mann zu ihr. Als sie ihr Gesicht ihm zuwandte, meinte dieser: „Autsch…Das sieht aber nicht gut aus…Sie sollten etwas Eis draufgeben…und eine Salbe gegen Entzündungen…“ „Ja…wäre toll, wenn ich das dabei hätte…“ „Warten Sie hier…“ „Ich hatte sowieso nicht vor zu gehen…“ Nach einer Weile kehrte der Mann zurück, in der einen Hand einen Eisbeutel und in der anderen eine Salbe. Vorsichtig legte er Jude den Eisbeutel auf das Auge. Dann meinte sie: „Ich danke Ihnen. Ich bin Jude…“ „Jeremy.“ Bei dem Namen horchte sie auf und schaute ihn näher an. „Waren sie nicht einmal bei Boyz Attack…?“ „Ja, doch da bin ich ausgestiegen…“ „Und was machen sie dann vor G-Major?“ „Ich weiß nicht…Irgendetwas in mir wollte hierher…und was machen Sie hier mit einem Koffer vor G-Major?“ „Bin gerade ausgezogen…“ „Und wo soll‘s jetzt hingehen?“ „Ich habe keine Ahnung…auf keinen Fall zurück…“ „Ich will jetzt nicht aufdringlich sein, doch sie könnten ja nur für heute Nacht bei mir übernachten…“ Skeptisch sah Jude Jeremy an. Was hatte sie schon zu verlieren? „Wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht…“ Er nahm den Koffer und schmiss ihn in seinen Kofferraum. Jude presste immer noch den Eisbeutel auf ihr Auge.
Etwas unsicher trat Jude in die Wohnung ein. Jeremy führte sie ins Wohnzimmer, wo er sie bat sich zu setzen. Dann holte er ihr etwas zu trinken. Schließlich meinte er: „Wenn Sie genauso gut singen, wie sie aussehen, dann hat G-Major einen guten Nachfolger für mich gefunden…“ „Nein, sie missverstehen das…mein Zwillingsbruder Aidan ist bei Boyz Attack. Ich nicht.“ Jeremy warf ihr einen wissenden Blick zu. „Und wollen sie mir jetzt die Wahrheit sagen?“ „Die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass ich keine Ahnung habe, wo mein Bruder ist und ich ihn vertrete, damit er diesen Job nicht verliert.“ „Wow, sie tun wirklich viel für ihren Bruder.“ „Wenn man fast alles verloren hat, was man jemals besaß, dann tut man alles für die Menschen, die einem noch geblieben sind.“ „Ich verstehe genau, was sie meinen.“ „Es tut mir leid…“ „Was tut ihnen leid?“ „Na, dass mit der Band…“ „Dass sie endlich ein wenig Pepp und Frische in die Band bringen? Das muss es nicht. Und wenn es meinetwegen ist…ich habe mich selbst dazu entschieden zu gehen...“ „Warum? Wenn ich fragen darf…?“ „Es hat zwischen mir und Tommy schon immer Konflikte gegeben…wer ist der Leader, wer übernimmt den Gesang, wer Background…noch dazu behauptet er, dass es seine Band ist…obwohl ich und Tommy sie doch gemeinsam gegründet haben…Einst waren wir beste Freunde…doch die Band ließ uns immer mehr auseinander driften…traurig, nicht?“ Jude nickte. Das hätte sie niemals erwartet. „Sie sehen müde aus. Ich werde Ihnen eine Decke und ein Kopfkissen holen.“ Als Jude auf dem Kopfkissen lag, gab Jeremy eine Salbe auf ihr Auge. Jude fand, dass er total nett war. Und er sah auch nicht schlecht aus…Schnell verwarf sie diesen Gedanken wieder. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht…“ „Duzen wir uns doch…“ „Wie du willst…dann bis morgen.“ „Ja, bis morgen.“ Am nächsten Morgen war Jude schon sehr früh wach. Lange Zeit blieb sie einfach nur liegen, doch dann beschloss sie aufzustehen. Es gab eine Tür zum Balkon und durch diese trat sie hinaus und fand sich in einem kleinen Garten wieder. Jeremy hatte dort oben richtiges Gras. Der Balkon war riesig. Fast schon eine Dachterrasse. Nach einer Weile wurde es ihr dann aber zu kalt und sie ging wieder rein und suchte das Badezimmer, was sie nach wenigen Augenblicken fand. Dort betrachtete sie ihr riesiges, schmerzendes blaues Auge. Toll. Das konnte sie nicht einmal unter eine riesen-riesen Sonnenbrille verstecken. Es klopfte an der Tür. „Jude? Bist du da drin?“ „Äh…ja! Ich bin gleich fertig.“ „Lass dir ruhig Zeit.“ Als sie das Badezimmer verließ, duftete es in der ganzen Wohnung nach gutem Essen. Es war lange her, dass Jude etwas liebevoll Zubereitetes gegessen hatte. Jeremy hatte Pfannkuchen, Ham&Eggs, sowie Toast und frisch gepressten Orangensaft gemacht. Dann überreichte er Jude noch eine Tasse Kaffee. Der Mann ist wirklich perfekt, dachte Jude. „Jude, du kannst hier bleiben bis du etwas Neues gefunden hast…“ „Danke…aber ich will dir nicht zur Last fallen…“ „Falls…falls du nichts findest…ich bin gerade auf der Suche eines Mitbewohners…ich hätte noch ein Zimmer frei…Miete ist nicht so wichtig, falls du kein Geld zur Verfügung haben solltest…“ „Das…das kann ich nicht annehmen…du hast schon so viel für mich getan…“ „Ich würde mich über deinen Einzug freuen, dann hätte ich wenigstens jemanden mit dem ich mich unterhalten kann.“ „Ich denke darüber nach…“ „Das ist alles, was ich hören wollte…“ Nach dem Frühstück borgte Jude sich ein paar Klamotten von Jeremy aus, damit sie wieder in ihre Rolle als Aidan schlüpfen konnte. Dann brachte Jeremy sie zu G-Major. „Danke fürs fahren.“ „Gern geschehen. Wir sehen uns heute am Abend.“ „Bis dann.“ Gerade als Jude durch die Tür zu G-Major treten wollte, kam Tommy heraus. „Bist du jetzt zur Konkurrenz übergetreten oder was machst du mit Jeremy?“ „Spionierst du mir etwa hinterher?“ „Nein. Natürlich nicht.“ „Es geht dich nichts an, was ich in meiner Freizeit mache.“ Jude wollte ihm einen bösen Blick zuwerfen, deshalb setzte sie ihre Sonnenbrille ab, vergaß dabei, was sie eigentlich verstecken wollte. Tommy sah sie überrascht und mitfühlend an. „Was hast du denn da gemacht? Hat Jeremy dir das angetan?“ „Nein. Wieso sollte er?“ „Jeremy ist gefährlich. Du solltest dich von ihm fernhalten…“ „Du solltest mir keine Ratschläge geben…bist ja nicht mein Vater, oder?“ Sie ging zur Tür. „Eigentlich ist es mir eh egal, was du da getan hast. Ich wollte einfach nur freundlich sein.“ „Klar. Habe ich mir schon gedacht.“ Auf einmal packte Tommy sie an der Schulter. „Können wir kurz unter vier Augen reden?“ „Haben wir heute nicht schon genug geredet?“ Tommy funkelte sie böse an. Er zerrte sie in ein Zimmer, wo sie ungestört waren. „Aidan…oder wie auch immer dein Name ist…ich weiß, was du bist…Ich war echt ein Trottel, dass mir nicht aufgefallen ist, dass du ein Mädchen bist.“ Die ganze Farbe wich aus Judes Gesicht. Das war ihr Ende. Ausgerechnet Tommy hatte es herausgefunden. Genau er, mit dem sie sich am wenigsten verstand. Er würde bestimmt gleich zu Darius laufen wie ein kleiner Hund und es ihm petzen. Aber, warum hatte er das nicht bereits getan? „Bitte…ich weiß, dass du mich nicht sehr magst, aber sag Darius nichts…“ „Und wieso sollte ich das? Damit würde ich dich für immer loswerden.“ „Ich habe ja nicht vor, in der Band zu bleiben. Ich mache das für meinen Zwillingsbruder.“ „Und wo ist der wahre Aidan?“ „Ich weiß es nicht.“ „Soll ich dir das jetzt glauben? Gibt es überhaupt einen Aidan?“ „Natürlich gibt es ihn!“ Tommy betrachtete sie skeptisch. „Und was sagen dann deine Eltern dazu? Fällt ihnen nicht auf, dass ihr Sohn weg ist und du dich kleidest, wie ein Mann?“ Judes Augen wurden wässrig. Sie unterdrückte den Drang zu weinen. „Unsere Eltern sind tot.“ Tommy wirkte etwas verlegen und wusste nicht, was er sagen sollte. „Ähm…das…tut mir leid…Ich hatte ja keine Ahnung.“ Abwesend nickte Jude und kniete sich dann vor Tommy hin. Überrascht und fragend blickte dieser zu ihr hinab. „Ich flehe dich an: Bitte erzähl Darius nichts von meinem kleinen Geheimnis. Du musst verstehen, dass Aidan das einzige ist, was für mich noch sowas wie Familie bedeutet. Wenn er diesen Job verliert, würde er sich das niemals verzeihen. Ich weiß das, weil ich ihn kenne. Darum beschwöre ich dich, wenn du es nicht für mich tust, tu es wenigstens für Aidan und deine Band. Du hast seine und meine Songs gehört, du kennst meine Stimme…und Aidan…Aidan ist noch viel besser als ich…“ Tommy bedeutete ihr zu schweigen. Judes Kopf sank nach unten. Sie hatte verloren. Umso erstaunter war sie, als sie Tommys Worte hörte: „Wenn du mir versprichst, dass du, sobald Aidan auftaucht, wieder verschwindest, werde ich Darius über dein kleines Geheimnis nicht informieren.“ Verdutzt fixierte Jude Tommy. „Das hätte ich von dir echt nicht erwartet.“ „Was soll ich sagen? Deine Songs gefallen mir. Sie passen perfekt zu Boyz Attack, also denk ja nicht, dass ich das mache, weil mir etwas an die liegt. Ich tue das nur für die Band und G-Major.“ „Natürlich.“ Obwohl Jude etwas irritiert war, freute sie sich trotzdem darüber, dass Tommy und sie auf der gleichen Seite standen. Zumindest in Bezug auf ihr Geheimnis.
Wieder einmal rief Darius Boyz Attack in sein Büro. „Ihr werdet eine Tour machen. Sie spannt sich über einen Zeitraum von zwei Monaten. Ihr performt ein paar eurer neuen Lieder und ein paar eurer alten Lieder. Zusätzlich werdet ihr in den verschiedensten Fernseh- und Radioshows Interviews geben. Untergebracht seid ihr in den teuersten Hotels. Na, wie hört sich das an?“ „D…warum ausgerechnet jetzt eine Tour. Meine Verlobte und ich wollen bald heiraten. Die stresst jetzt schon rum, weil ich so wenig Zeit Zuhause verbringe. Eine 2-monatige Tour wird sie da nicht gerade umhauen“, meinte Mikel. „Ja, und überhaupt ist das Album noch nicht einmal fertig“, fügte Stan hinzu. Jude merkte verlegen an: „Ich habe Schule…“ Genervt meinte Darius: „Und was ist deine Ausrede, Tommy?“ Tommy hob und senkte seine Schultern. „Ich habe einfach keinen Bock auf die Tour.“ „Jetzt hört mir mal zu. Diese Tour ist bereits gebucht. Ihr werdet sie machen. Aidan, du bekommst solange einen Privatlehrer. Mike, ich verschaffe deiner Frau Tickets, damit sie dich besuchen kann. Stan, ihr könnt auf dieser Tour neue Lieder schreiben. Und Tommy…streng dich einfach an. Ach und…bevor ich es vergesse, ihr teilt euch immer zu zweit ein Hotelzimmer. Also macht die Teams aus.“ Stan und Mike wollten beide mit Aidan in einem Zimmer liegen, um ihn besser kennenzulernen. Tommy hörte sich etwas verärgert die Unterhaltung an. Sie stritten sich förmlich um Aidan. „Vielleicht solltet ihr Aidan einmal selber fragen…“ „Gute Idee. Aidan soll entscheiden!“ Wie kleine Kinder rannte sie auf Jude zu. Beide versuchten sich zu übertrumpfen, damit Jude sie auswählte. „Also…ganz ehrlich…ich würde mich am liebsten mit Tommy zusammenlegen…“ Tommy konnte gar nicht glauben, was er da hörte. Er wollte sich nicht 2 Monate ein Zimmer mit einer 18-jährigen Nervensäge teilen. Doch Jude sah ihn flehentlich an und erinnerte ihn so daran, dass sie ein Mädchen war und das Geheimnis nicht rauskommen soll. „Ja, warum nicht? Vielleicht können wir so unsere Meinungsverschiedenheiten beseitigen.“
KAPITEL 5: Schon am nächsten Tag gings los. Jeremy verabschiedete Jude schon in der Wohnung, damit Tommy nicht wieder ausrastete. Jude vermisste ihn jetzt schon. Bereits in den wenigen Tage, die sie zusammen verbracht hatten, hatte sie ihn ins Herz geschlossen. Er war der beste Freund den sie nie gehabt hatte. Und vielleicht sogar mehr. Aber das wollte sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht eingestehen. Während sie auf den Tourbus warteten, der sie nach Alberta ins Hotel bringen sollte, fielen die ersten Schneeflocken. Begeistert meinte Mike: „Vielleicht können wir in Nakiska auch mal Snowboarden.“ Auch dem Rest der Band gefiel die Idee. Im Bus verfielen alle in Schweigen. Mike smste mit seiner Verlobten, Stan las in einem Buch, Jude hörte Musik auf ihrem iPod und Tommy hatte die Augen geschlossen und tat, als würde er schlafen. Jude beobachtete ihn. Im Schlaf wirkte er so friedvoll und seine Macho-Maske war von ihm abgefallen. So war er eigentlich ziemlich attraktiv, wie Jude fand. Aber so jemand wie er würde sich nie für eine wie sie interessieren. Dann wanderten Judes Gedanken zu Jeremy. Der war ein richtiger Mann. Gutaussehend, nett, höflich, großherzig, muskulös, sympathisch,… Ihr fielen eine Menge Adjektive ein um Jeremy zu beschreiben. Kurzum für sie war er der perfekte Mann. Sie musste lächeln. Wenige Stunden später kamen sie im Hotel an. Als sie das riesige Gebäude betraten, verschlug es Jude die Sprache. Sie war noch nie in einem solch luxuriösen Hotel gewesen. Eigentlich war sie überhaupt noch nie in einem Hotel gewesen. Sie wurden zur Rezeption geführt, wo ihnen die Schlüssel überreicht wurden. Danach fuhren sie in eines der obersten Stockwerke. Jude schloss das Zimmer von ihr und Tommy auf. Sie trat ein und das erste was sie machte, war, auf den riesigen Balkon zu gehen, von dem man einen wundervollen Ausblick auf die Stadt hatte. Sie lehnte sich ans Geländer und konnte sich von dieser Aussicht gar nicht losreißen. Plötzlich trat Tommy neben sie. „Atemberaubend, nicht?“ Sie nickte. Sie wandte sich ihm zu und meinte dann: „Tut mir übrigens leid, dass du dir mit mir ein Zimmer teilen musst, aber sonst wäre Mike oder Stan dahinter gekommen, dass ich eine Frau bin.“ „Schon gut. Kann ja nicht so schlimm werden. Immerhin bist du nicht die schlechteste Gesellschaft.“ Sollte sie das jetzt als Kompliment auffassen? „Äh…Ich werde jetzt mal auspacken gehen.“ Schon flitzte sie an ihm vorbei ins Zimmer. Tommy blieb zurück und starrte gedankenverloren die Landschaft an. Jude räumte ihr ganzes Zeug aus. Nach einer Weile klopfte es an der Tür zu ihrem Zimmer und Mike trug sein Schigewand. „Wir haben beschlossen, heute snowboarden zu gehen, denn sonst haben wir keine Zeit mehr dazu. Kommt ihr?“ „Klar!“, rief Jude begeistert. So fuhren die vier, Jude, Stan, Tommy und Mike, zum Schigebiet. Dort kauften sie sich jeder eine Karte, um die Lifte benutzen zu können. Und wenige Minuten später standen sie oben auf der Piste. Stan und Mike fuhren schon mal vor, während Jude und Tommy dicht nebeneinander im Schnee saßen und sich die Füße auf dem Bord befestigten. Jude meinte: „Na, hast du Lust auf ein Wettrennen?“ „Das wäre nicht gerecht, denn ich bin ein ziemlich guter Snowboarder. Du würdest gnadenlos verlieren. Noch dazu bist du ein Mädchen.“ „Du hast einfach nur Angst gegen mich zu verlieren.“ Sie machte die Geräusche eines gackernden Huhns nach. „Na gut, dann zeig mir mal, was du drauf hast.“ Tommy stemmte sich hoch und wollte gerade die Piste runter fahren, als Jude sagte: „Denkst du wirklich, wir fahren das Rennen auf der normalen Piste? Ich hatte da eher an das Waldgebiet daneben gedacht. Da bekommt das Ganze ein wenig mehr kick.“ Tommy sah sie zweifelnd an. „Komm schon, es wird schon nichts passieren!“ Wieder trat Tommys Grinsen in sein Gesicht. „Da besiege ich dich noch leichter.“ „Wir werden noch sehen!“ Schon flitzten die beiden los. Zu Beginn waren sie zirka auf gleicher Höhe, doch dann überholte Jude ihn gekonnt. Sie wich den umherliegenden Bäumen und Ästen geschickt aus. Über manche sprang sie sogar drüber. Tommy war beeindruckt. Plötzlich verschwand sie aus seinem Blickfeld. Er musste etwas mehr Gas geben. Doch wenige Minuten später hörte er zuerst knacksende Astzweige und dann ertönte ein schallender Schrei. Schnell raste er zu der Stelle, von der der Schrei gekommen zu sein schien. Er sah, wie Jude im Schnee lag und sich vor Schmerzen krümmte. Sein Blick wanderte zu der Stelle, wo ihr gebrochenes Bord war. Er eilte zu ihr. „Was ist passiert?“ „Hab…den Baumstumpf übersehen.“ „Kannst du aufstehen?“ „Ich weiß nicht.“ Sie versuchte es und kippte beinahe um, aber Tommy fing sie auf. Sacht legte er sie wieder auf den Boden. Er kramte sein Handy hervor, stellte aber fest, dass er keinen Empfang hatte. Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, fing es auch noch an zu schneien. „Wir sollten uns erst mal einen Unterschlupf suchen.“ „Und wie soll ich bitte dahin kommen? Mein Bein schmerzt höllisch. Entweder es ist gebrochen oder ich habe doch nicht so eine niedrige Schmerzempfindlichkeit, wie ich dachte.“ Tommy hob sie hoch und trug sie in seinen Armen. „Du kannst mich doch nicht die ganze Zeit tragen! Ich bin doch viel zu schwer.“ „Das geht schon.“ Jude wollte etwas erwidern, aber Tommy warf ihr einen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete und sie zum Schweigen brachte. Nach einiger Zeit, in der aus dem bisschen Schneefall ein wahrhaftiger Sturm geworden war, fanden sie eine Höhle. Tommy stürmte hinein und ließ Jude vorsichtig auf den Boden gleiten. Er sah, dass sie zitterte. „Ist dir sehr kalt?“ „Es geht schon.“ Er wusste, dass sie log, denn ihre Lippen waren bereits ganz blau angelaufen. „Lass mich mal deinen Fuß sehen.“ Vorsichtig zog er ihr den Schuh aus und krempelte dann ihre Hose nach oben. Zum Vorschein kam ein Fuß, der eine offene Wunde, die mit Sicherheit genäht wurden musste, hatte und in der auch noch ein riesiger Holzsplitter steckte. Noch dazu war er sehr angeschwollen. „Sieht’s sehr schlimm aus?“ „Ich glaube, dass er gebrochen ist. Gib mir deinen Schal.“ Wortlos tat Jude, was er ihr sagte. Geübt zog Tommy vorsichtig und sanft den Splitter heraus und wickelte dann den Schal gekonnt etwas über die offene Wunde, damit er die Blutung stillte. Zuletzt nahm er noch seinen eigenen Schal und umschlang mit ihm die Wunde. So hatte Jude ein wenig Halt für den verletzten Fuß. Danach rannte Tommy kurz nach draußen, wobei sich Jude fragte, was er vorhatte. Voll mit schneebedeckt kam er zurück. In seinen Händen sah sie Holz. „Es ist zwar ein wenig feucht, aber vielleicht haben wir Glück und ich kann ein Feuer entfachen.“ Nach einigen missglückten Anläufen schaffte Tommy eine kleine Flamme zu entfachen, die er dann schürte, um es größer werden zu lassen. Dann setzte sich Tommy wieder neben Jude. „Das mit dem Rennen war eine blöde Idee. Tut mir leid.“ „Schon gut. Zu Beginn war es ja ganz lustig. Außerdem bist du eine begnadete Snowboarderin.“ „Danke. Aber du fährst auch nicht schlecht.“ Tommy sah sie an. „Vielleicht habe ich mich in dir getäuscht, Jude.“ „Ich habe mich auch gewaltig in dir getäuscht.“ „Gut, dass wir das jetzt geklärt haben.“ „Ja.“ Beide starrten in die Flammen und schwiegen sich an. „Denkst du, dass sie uns schon suchen?“ „Bestimmt. Immerhin werden sich Stan und Mike sicher gefragt haben, wo wir bleiben. Wahrscheinlich befürchten sie sogar, dass ich dich in diesem Augenblick erwürge.“ Beide mussten lachen. „Weißt du auf was ich jetzt Lust hätte? Auf ein schönes heißes Bad und eine Tasse Kakao.“ „Oh ja…das klingt gut. Und vielleicht auch noch ein paar Duftkerzen rundherum, ja?“ Jude nickte lächelnd. „Willst du mir vielleicht endlich sagen, warum du ein blaues Auge hast?“ Jude seufzte und wich seinem Blick aus. „Nachdem meine Eltern bei dem Autounfall ums Leben kamen, als ich und Aidan sechs Jahre alt waren, wurden wir und meine ältere Schwester Sadie zu unserem Onkel gebracht. Es stellte sich heraus, dass er Alkoholiker ist. Er scherte sich nicht um uns, es war ihm egal, was mit uns passiert. Jeden Tag mussten wir mit ihm in irgendeine kleine Tankstelle gehen, wo er uns Bierflaschen unterjubelte. Er hat uns gezwungen zu stehlen. Mit 16 wurde meine ältere Schwester schwanger und von unserem Onkel rausgeworfen. Seit diesem Tag war er noch unerträglicher, stellte tausende von Regeln auf. Und als ich nach dem Dreh zu spät nach Hause kam, sprach er schlecht von meiner Schwester und meinte, dass wir ihm eigentlich dankbar sein sollten, weil er für uns so viel aufgegeben hat. Da sind mir dann ein paar Worte rausgerutscht und er hat mich geschlagen…und ich bin abgehauen.“ Tommy wusste nicht, was er sagen sollte. „Das tut mir schrecklich leid für dich, Jude.“ „Schon gut. Du kannst nichts dafür.“ Plötzlich musterte Tommy sie. „Was ist? Habe ich irgendetwas im Gesicht?“ „Ähm…nein…“ Auf einmal wurde sich Jude der Nähe erst bewusst…Als sie wieder aufblickte, sah sie in Tommys wundervolle Augen. Er näherte sich ihren Lippen…
KAPITEL 6: „Da vorne sind sie! Wir haben sie gefunden.“ Beide rückten augenblicklich voneinander weg. Nun tat sich ein riesiger Abstand zwischen ihnen beiden auf, wie Jude fand. Plötzlich wurde ihr auch bewusst, wie gut Tommys Körperwärme ihr getan hatte. Nun jedoch war ihr total kalt. Und an den Stellen, an denen Tommy sie berührt hatte, fehlte etwas. Es war, als hätte man ihr all ihre Klamotten weggenommen. Während sie auf von den Rettungshelfern auf einer Trage in den Hubschrauber transportiert wurde, musste sie über den beinahe Kuss mit Tommy denken. Was hatte das zu bedeuten? Fühlte sie sich auf einmal zu Tommy hingezogen? Und wenn ja, empfand er das Gleiche wie sie? Oder spielte einfach nur ihr Wahrnehmungsvermögen verrückt, aufgrund der Schmerzen? Im Krankenhaus angekommen, bestand Jude darauf, ihre Klamotten anzubehalten, denn ansonsten hätte man gesehen, dass sie ein Mädchen war. Deshalb schnitt man die Hose unten ab. Danach bekam sie ein Schmerzmittel und ein Assistenzarzt nähte die Wunde mit sorgfältigen Stichen. Dann wurde der Fuß geröntgt. Obwohl er geschwollen war, war nichts gebrochen. Daher bekam sie nur ein wenig Iod auf die betroffenen Stellen und dann wurde er verbunden. Der Arzt verschrieb ihr noch ein paar Tabletten gegen die Schmerzen. Danach wurde sie mit dem Rollstuhl zum Taxi gebracht, damit sie nicht so viel mit den Krücken gehen musste. Sie sollte ihren Fuß schonen, daher auch die Krücken. Sie kehrte erst nach Mitternacht nach Hause zurück, deshalb versuchte sie mit den Krücken möglichst leise ins Zimmer zu humpeln. Doch auf einmal ging das Licht an. Jude zuckte zusammen. Vor ihr stand Tommy. „Wie geht es dir?“ „Danke, ganz gut. Tja, Schmerzmittel bewirken Wunder.“ „Kann ich irgendetwas für dich tun?“ „Nein, ich will einfach nur noch schlafen.“ „Klar, verstehe ich.“ „Du hättest nicht auf mich warten müssen…“ „Ich…ich hab doch nicht auf dich gewartet…ich war noch munter“, sagte Tommy. „Äh…Gute Nacht.“ Jude streckte sich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Als Jude in ihrem Zimmer war, hielt sich Tommy die Wange, so als ob er die Wärme von Judes Lippen einfangen wolle. Sein ganzer Körper kribbelte und als Jude ihn auf die Wange geküsst hatte, hatte sich eine angenehme Wärme in seinem Körper ausgebreitet. Er hatte keine Ahnung, was das war. So etwas hatte er noch nie empfunden. Als er in seinem Bett lag, konnte er nicht einschlafen. Die ganze Nacht grübelte er darüber nach, was das zu bedeuten hatte. Unruhig wälzte er sich von der einen auf die andere Seite. Am nächsten Tag hatte er totale Augenringe. Er war froh, dass das heutige Konzert vorschoben worden war, aufgrund Judes Verletzung. Sie war noch nicht aufgestanden. Anscheinend war sie von den Schmerzmitteln total zugedröhnt gewesen. Erst gegen Mittag wachte sie auf. Sie wirkte noch verschlafen, ihre Haare standen kreuz und quer. Sie hatte die Perücke noch nicht aufgesetzt. Sie sah gerade unglaublich süß aus. „Wie spät ist es?“ „Halb eins.“ „So spät schon. Wieso hast du mich nicht geweckt?“ „Ich dachte, dass du diesen Schlaf mal dringend nötig hattest.“ Er ging auf sie zu und hielt er eine Tasse heiße Schokolade entgegen. „Danke.“ „Ich hab dir auch ein heißes Bad eingelassen und ein paar Kerzen angezündet.“ Sie sah ihn lächelnd an. Wieder durchströmte Tommy diese Wärme in seinem Körper, die er durch Judes Lächeln empfand. Danach aßen sie zu Mittag mit den Jungs. „Na Aidan, wie geht’s dir heute?“ „Schon viel besser.“ Jude schlug sich richtig den Bauch voll, was Tommy schmunzelnd beobachtete. „Und Tommy hast du den Schreckensausflug auch gut überstanden?“ Tommy nickte nur knapp. „Was hattet ihr überhaupt dort zu suchen?“, fragte Mike mit vollem Mund und schmatzend. Wie er eine Frau finden konnte, die ihn ertrug, war für Tommy immer noch ein kleines Wunder. Kurz und etwas genervt erwiderte Tommy: „Lange Geschichte.“ Auch Jude schien es lieber zu sein, nicht näher zu erläutern, was sie in diesem Wald zu suchen hatten. Nach dem Essen bildeten sich Mike und Stan ein, einkaufen zu gehen. Mit wenigen Worten überredeten die beiden Jude mitzukommen. Daher gesellte auch Tommy sich zu ihnen, wobei sie alle Kapuzen und Sonnenbrillen trugen, damit man sie im Supermarkt um die Ecke nicht erkannte. Stan und Mike wollten Jude ein wenig aufheitern, weil sie noch ziemlich angeschlagen aussah. Ohne auf ihre Einverständnis zu warten, hoben sie sie in einen Einkaufswagen. Dann räumten sie haufenweise Chips und Cola in den Wagen. Auf einmal meinte Mike: „Jungs, seht mal!“ Er hielt eine Müslipackung in die Höhe. Tommy verdrehte die Augen. „Könnt ihr euch daran noch erinnern?“ Plötzlich fing er an, ein paar Moves zu machen. Danach meinte er: „Crispy Corn, erweckt den Star in dir!“ Jude fing an zu lachen. „Das war einer unser ersten Werbeclips!“ So ging es dann bei jedem Produkt weiter, an dem sie vorbeikamen und für das sie Werbung gemacht hatten. Und tatsächlich Jude schien es besser zu gehen. Am Abend saßen sie dann bei Stan und Mike im Zimmer, guckten irgendwelche total bescheuerten Filme, lachten dabei und futterten die gekauften Chips. Als es Zeit wurde zu gehen, verabschiedeten sich Tommy und Jude. Während Tommy ganz langsam ging, humpelte Jude neben ihm her. Im Zimmer angekommen, meinte Tommy: „Das war ein wirklicher netter Tag.“ „Ja, das finde ich auch.“ „Willst du noch auf diesen Tag anstoßen?“ „Sehr gerne.“ Während Tommy den Wein und die Gläser holte, schlenderte Jude auf den Balkon hinaus und zündete ein paar Kerzen an, damit sie ein wenig Licht hatten. Jude lehnte am Geländer, als Tommy durch die Tür schritt. Er reichte ihr eines der beiden Gläser. „Auf diesen Abend.“ „Auf den Abend.“ Ihr Gläser prallten sanft aufeinander. Tommy stand nun sehr nahe neben Jude. Diese wurde sich der Nähe bewusst und fing an, ein wenig nervös zu werden. Was würde jetzt passieren? Würden sie da weitermachen, wo sie in der Höhle aufgehört hatten? Doch dann dachte sie daran, dass sie nicht einmal wusste, was sie für diesen Mann empfand. Außerdem war er ihr am Anfang nicht sehr sympathisch gewesen und dann auch noch seine billige Anmache, als er sie zum ersten Mal als Frau gesehen hatte und nicht wusste, dass sie Aidan war. Tommys Gesicht war dem ihren ganz nahe. Etwas stotternd meinte Jude: „Wir sollten das nicht tun…“ „Wieso?“ „Es…könnte uns bei der Arbeit behindern…“ Tommy strich ihr über die Wange. „Glaub mir, es ist schon in Ordnung.“ Jude schüttelte den Kopf. „Ich werde jetzt ins Bett gehen…“ „Warte!“ Er zog sie an sich und küsste sie. Seine Lippen waren so sanft und warm. Zuerst erwiderte sie den Kuss, doch dann löste sie sich von ihm und verpasste ihm eine Ohrfeige. Sie war über diese genauso überrascht, wie er selbst. Ohne ein weiteres Wort ging sie hinein. Ihr Gesicht war total rot angelaufen. Am nächsten Morgen ging Tommy Jude so gut wie möglich aus dem Weg und wenn sie mit den anderen zusammen waren, war er total feindselig zu Jude. „Sag mal, habt ihr beide euch gestritten? Oder warum machst du Aidan die ganze Zeit so fertig?“ „Tja, das sollte euch vielleicht besser Aidan erklären…“, meinte Tommy gereizt. Doch Jude zuckte nur mit den Schultern. Nach ihrem Konzert war noch eine Party. Naja…mehr oder weniger. Sie saßen alle an Tischen, bekamen etwas zu essen und zu trinken. Tommy saß gegenüber von irgendeiner ziemlich attraktiven Frau. Jude beobachtete etwas eifersüchtig die Szene. Tommy und die hübsche Frau lachten die ganze Zeit. Auf einmal beugte Tommy sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr. „Wahrscheinlich wieder eine Frau für eine Nacht“, dachte Jude angepisst. Vor lauter Zorn fiel ihr die Gabel aus der Hand. Um sie aufzuheben, bückte sie sich und war für kurze Zeit unter dem Tisch. Da fiel ihr Blick zu Tommy und seiner Anbeterin. Deren ihr Fuß strich bei seinem Fuß auf und ab und es schien ihm zu gefallen. Ihr Fuße wanderte immer weiter nach oben. Das war Jude zu viel. Wütend wollte sie aufstehen, stieß dabei aber mit dem Kopf gegen die Tischplatte. Der ganze Tisch erbebte. Da es ihr peinlich gewesen wäre, in diesem Moment aufzustehen, suchte sie schnell unter dem Tisch das Weite. Sie kletterte an Füßen vorbei, solang bis sie am anderen Ende herauskam. Dabei eilte sie so schnell es ging auf die Toilette. Sie hatte Tränen in den Augen. Sie hatte gewusst, dass so etwas passieren würde. Sie war darauf vorbereitet gewesen. Das war Tommys Natur. Aber warum tat es trotzdem so höllisch weh? Er hatte sie enttäuscht. Für einen kurzen Moment hatte sie wirklich geglaubt, es würde ihm etwas an ihr liegen. Ja, vielleicht sogar, dass er in sie verliebt war. Doch in Wahrheit wollte er genau das von ihr, was er auch von allen anderen Frauen gewollt hatte: nur ein bisschen Spaß.
KAPITEL 7: Im Männerklo war sie an der Wand nach unten gerutscht, hatte ihre Füße ausgestreckt und weinte. Noch dazu war sie total sauer auf Tommy. Er war so ein A****loch. Sie hätte sich von seinem netten Auftreten nicht täuschen lassen dürfen. Auf einmal wurde die Tür geöffnet. Schnell wischte sie sich ihre Tränen weg. „Hier bist du also“, sagte Tommy. „Ich habe dich schon überall gesucht.“ „Oh, das tut mir aber leid für deine kleine Miezekatze, jetzt muss sie sich vertrösten. Ich weiß gar nicht, warum ihr eigentlich noch hier seid und nicht bereits in irgendeinem Hotelzimmer.“ „Von was redest du?“ „Tu doch nicht so scheinheilig. Du weißt genau, von was ich rede.“ Jude stand auf und wollte an ihm vorbeigehen, als er ihr Handgelenk packte und erzürnt meinte: „Du hast kein Recht mir einen Vortrag zu halten. Schon vergessen, du hast mich zurückgewiesen. Ich bin dir keine Erklärung schuldig.“ „Ah, so läuft das also bei dir. Wenn dich die eine abserviert, steht schon die nächste an der Matte.“ „Was willst du eigentlich von mir? Zuerst erwiderst du meinen Kuss, dann gibst du mir eine Ohrfeige und im nächsten Moment hältst du mir einen Eifersuchtsprädigt wegen einer anderen Frau…“ „Ich bin nicht eifersüchtig…“ „Warum spielst du dich dann so auf? Und nur zu deiner Information: Ich habe diese Frau zurückgewiesen…es war mir total unangenehm von ihr angemacht zu werden…“ „Das sah aber ganz anders aus…“ „Tja, dann hat deine Eifersucht dir wohl einen Streich gespielt.“ „Und warum habt ihr dann miteinander getuschelt?“ „Da habe ich mich nur nach ihrem Namen erkundigt für ein Autogramm. Es war so laut, dass sie mich nicht verstanden hat.“ „Erwartest du im Ernst, dass ich dir das glaube?“ „Wieso rede ich eigentlich mit dir? Du willst mir ja nicht einmal zuhören…“ Wütend stürmte er durch die Tür und verließ anschließend gereizt die Party. Jude blieb allein in der Männertoilette zurück. Schnell machte sie sich noch ein wenig frisch, bevor auch sie die Party verließ und sich in ihrem Zimmer einsperrte. Den Rest der Tour gingen Tommy und Jude sich so gut es ging aus dem Weg. Bei Auftritten, Interviews und Konzerten klammerte sich Jude an Stan und Mike, die somit Tommy auch unbeabsichtigt ein wenig ausschlossen. Doch diesem war die Abgrenzung nur recht, denn ihm war immer noch nicht klar, was er eigentlich für Jude empfand und warum er sich vor ihr unbedingt rechtfertigen wollte. Während Tommy alleine in ihrem Zimmer saß, hing Jude bei Stan und Mike herum. Dort sah sie mit ihnen irgendwelche Filme an, spielten Sing Star und alberten rum. Dadurch wurde Jude auch ein wenig von der Wut zu Tommy abgelenkt. Noch dazu lernte sie Mike und Stan besser kennen. Die zwei waren echt witzig…Tommy passte da irgendwie gar nicht dazu. Die Tage vergingen schneller, als Jude es gedacht hatte. Schon rollte der Tourbus wieder vor und sie waren bereit zum Einsteigen. Während Jude ihre Sache gepackt hatte, war Tommy bereits verschwunden. Später dann sah Jude ihn in der Lobby mit der Frau von der Party. „Ich wusste es…“, flüsterte sie. „Hast du was gesagt?“, fragte Mike. Nun fiel auch sein Blick auf Tommy und dessen Angebetete. „Äh…nein…nur laut gedacht…“ „Ist sie der Grund, warum T.Q und du euch gestritten habt?“ Nein, nicht direkt. Eher er selbst. Aber das konnte sie Mike nicht sagen. „Äh…“, Jude räusperte sich. „Du kannst doch nicht leugnen, dass die Kleine attraktiv ist…“ „Ah, es geht also um eine Frau. Kommst du damit klar?“ „Muss ich wohl. Immerhin welche Frau steht nicht auf Tommy?“ „Gutes Argument. Aber es gibt Ausnahmen. Linda, meine Verlobte, zum Beispiel. Die mag T.Q so gar nicht…Naja, kann ich ihr nicht verübeln. Manchmal ist er echt großkotzig und überheblich…“ Jude sah ihn vielsagend an. Im Bus setzten sich Jude, Mike und Stan hinten auf der Couch zusammen und sahen sich noch mal ihre Auftritte an. Die ganze Zeit über musste Tommy, der einfach nur schlafen wollte, ihr Gekicher ertragen. Wie gern würde er sie anschnauzen, dass sie endlich den Mund halten sollen. Aber er riss sich zusammen, steckte sich seine Ohrstöpsel rein und drehte seinen iPod auf volle Lautstärke. Wenige Stunden später standen sie vor G-Major. Alle begrüßten sie recht herzlich und gratulierten ihnen zu der erfolgreichen Tour. Etwas abseits von der Menge erkannte Jude Jeremy. Freudig stürmte sie auf ihn zu, bremste sich dann aber, weil sie ja gerade Aidan war und nicht Jude. Deshalb verlangsamte sie ihren Schritt und umarmte ihn dann aber trotzdem. Auf einmal begann Judes Bauch zu kribbeln. Waren das etwa Schmetterlinge im Bauch? Hatte sie Jeremy mehr vermisst, als sie zugeben wollte? Ja, hatte sie sich gar ihn in verliebt? Aber was war mit Tommy? Auch Jeremy schien sich zu freuen, dass sie wieder hier war. Plötzlich kam Tommy auf die beiden zu. „Was willst du hier Jeremy?“ „Ich hole nur meinen Mitbewohner ab.“ Tommy sah Jude geschockt an. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“ „Tja Tommy, ich bin dir auch keiner Rechenschaft schuldig“, meinte sie trotzig. In Tommys Augen blitzte Wut auf, doch er drehte sich um und eilte hastig von dannen. Als Jude sich wieder Jeremy zuwandte, hatte dieser eine Augenbraue hochgezogen und starrte sie fragend an. „Frag lieber nicht. Lange Geschichte.“ Auf einmal klingelte ihr Handy, schnell zog Jude es hervor. „Aidan? Bist du das?“ „Ja…Jude, warum bin ich gerade auf Tour gewesen? Als ich sagte, lass dir was einfallen, hab ich gemeint, du sollst dir eine Ausrede aussuchen, dass ich verhindert bin. Ich wollte nie, dass du meinen Platz einnimmst.“ „Ich nehme deinen Platz doch nicht ein, sobald du wieder kommst, kannst du gerne Mitglied von Boyz Attack werden.“ „Trotzdem…du hättest mich davor vielleicht in Kenntnis setzen sollen…“ „Du hast einfach aufgelegt! Und dann warst du nicht mehr zu erreichen! Also halt mir jetzt nicht einen Vortrag! Wo zum Teufel steckst du eigentlich?“ „Jude, bitte gedulde dich…“ „Nein, ich habe es satt zu warten. Ich will endlich die Wahrheit…Wo bist du?“ „Bei Sadie.“ Diese Antwort war wie ein Schlag in die Magengrube. „Warum hast du mir das nicht erzählt? Wie geht es ihr?“ „Jude…das sollte sie dir vielleicht besser selbst erzählen…Hab Vertrauen zu uns. Ich bin mir sicher, dass wir uns bald wieder sehen werden.“ „Leg jetzt nicht auf.“ „Es tut mir leid…“ „Nein, Aidan!“ Aber schon ertönte wieder das Tuten. „Verdammt…“ „Was ist denn los?“ „Mein Bruder ist los.“ „Gibt’s Probleme?“ „So kann man das nicht nennen…“ „Du hast bestimmt Hunger, ich lade dich zum Essen ein. Dann geht’s dir bestimmt gleich wieder besser.“ Jude lächelte ihn an. „Ich würde wirklich gern mit dir Essen gehen, aber ich muss noch mal ins Studio. Wir sehen uns dann Zuhause, ja?“ „Na klar. Ich werde uns halt selber was zaubern.“ Er zwinkerte ihr zu. Als er davonging, starrte sie ihm hinterher und musste unaufhörlich lächeln. Nach einer Weile löste sie sich aus ihrer Erstarrung und eilte ins Studio. Sie riss die Tür auf und ertappte Tommy dabei, wie er gerade dabei war, dass er einer Frau das T-Shirt über den Kopf zog. „Boah, du widerst mich an Little Tommy Q!“, rief Jude wütend, knallte die Tür zu und rannte wieder nach draußen. Sie rief sich ein Taxi und fuhr zur nächstgelegenen Bar. Dort bestellte sie sich was Kräftiges und betrank ihren Kummer mit sehr viel Alkohol. Zuvor jedoch hatte sie die Perücke abgenommen und sich ihre eigenen Klamotten angezogen. Irgendwann begannen die Menschen nach Hause zu gehen und sie saß alleine in der Bar. „Du solltest auch nach Hause gehen.“ „Krieg ich noch nen letzten Drink.“ „Na gut.“ Er stellte ihr etwas hin. „Was bekommst du dafür?“ „Geht aufs Haus.“ „Danke.“ Sie kramte ihre Schmerztabletten hervor und war gerade dabei, sie mit dem Gesöff herunter zu spülen, als der Barkeeper meinte: „Tabletten und Alkohol sollte man besser nicht gemeinsam einnehmen.“ Jude zuckte die Achseln, tat es trotzdem, stand auf und verließ die Bar schwankend. Danach lief sie nach Hause. An die Tür gelehnt wartete Jeremy schon auf sie. „Wo warst du?“ „In ner Bar…“ „Hast du etwa getrunken?“ „Jeremy…ich bin nicht gut genug für diese Band…Sie brauchen jemanden, wie meinen Bruder…Vielleicht…vielleicht sollte ich einfach alles hinschmeißen…“ „Sag so etwas nicht. Weißt du eigentlich, was für einen Ansturm Boyz Attack hat, seit sie deine Lieder singen? Außerdem wenn du jetzt aufhörst, wird dein Bruder mit Sicherheit nicht mehr aufgenommen werden…“ „Ich schaff das aber nicht mehr...Es ist alles so kompliziert…“ „Komm doch erst mal rein.“ Er zog sie rein und Jude ließ sich dann auf die Couch fallen. „Warum denkst du auf einmal so? Ist auf der Tour irgendetwas vorgefallen?“ „Ich will nicht darüber reden.“ „Hat es was mit mir zu tun?“ „Nein…“ „Was ist es dann? Bitte rede mit mir!“ „Ich befinde mich einfach gerade in einem Gefühlschaos. Du musst wissen, da gibt es den einen, der total perfekt ist und wirklich immer nett zu mir war. Aber dann gibt es auch noch diesen anderen, der ein Macho ist und mich verletzt, obwohl ich nicht einmal Gefühle haben will für ihn…“ „Für mich klingt das so, als solltest du den Macho vergessen und den perfekten Typen anquatschen.“ „Wenn das so leicht wäre…“ Jude fielen die Augen zu.
KAPITEL 8: Am nächsten Morgen hatte Jude einen furchtbaren Kater, war aber dennoch schon ziemlich bald munter. Damit sie Jeremy nicht mehr sehen musste, verließ sie recht früh die Wohnung. Sie wusste, dass sie heute bei der Pressekonferenz die Wahrheit sagen musste. Sie konnte mit dieser Lüge einfach nicht mehr leben. Noch dazu war sie immer noch sehr verletzt wegen Tommy. Außerdem wollte sie sich wieder voll und ganz auf die Schule konzentrieren, musste endlich mal an sich denken. Sonst würde sie niemals etwas erreichen! Und ihr war auch klar, dass wenn sie heute Morgen noch mit Jeremy geredet hätte, hätte er sie umgestimmt und das wollte sie nicht. War es denn so schwer zu verstehen, dass sie keinen Jungen mehr spielen wollte? Und das mit ihrem Onkel hatte sie auch nicht richtig verkraftet. Immer noch glaubte sie die Ohrfeige zu spüren. Hinzufügend war auch zu sagen, dass Jude einfach nicht verstehen konnte, was Aidan und Sadie machten, was ihr Bruder ihr nicht auf dem Telefon sagen wollte. Sie kam bei G-Major an. Dort wurde sie ein wenig zurecht gemacht für die Pressekonferenz. Den ganzen Vormittag war sie sehr abwesend, reagierte erst ziemlich verspätet auf Fragen und starrte die ganze Zeit gedankenversunken vor sich hin. Mike und Sand machten sich Sorgen und auch Tommy war ein wenig beunruhigt. Doch keiner der drei drang zu ihr durch. Am aller wenigsten Tommy. „Lass mich einfach in Ruhe, Tommy.“ „Jetzt warte doch mal. Ich sehe doch, dass dich irgendetwas beschäftigt. Wenn du reden willst…“ „Du wärst der letzte Mensch auf Erden, mit dem ich reden wollen würde. Ach, und übrigens, du wirst mich bald los sein. Freu dich!“ „Was soll das heißen? Kommt dein Bruder?“ „Das wirst du schon sehen. Und jetzt verpiss dich.“ Jude saß alleine in der Garderobe vor einem Spiegel. Ihren Kopf hatte sie in eine Hand gestützt und mit verweinten Augen starrte sie sich an. Wie war es nur so weit gekommen? Ihr Herz pochte heftig in ihrer Brust. Es war, als wäre in der Mitte ein riesiger Riss. Mit einem Taschentuch wischte sie sich die Tränen weg und erhob sich. Dann war es so weit. Die Pressekonferenz würde in wenigen Augenblicken beginnen. Jude atmete einmal tief ein. „Aidan, du musst nicht nervös sein. Ist das der Grund, warum du heute so abwesend bist?“ „Äh…ja…Ich habe totales Lampenfieber.“ Tommy wusste, dass sie log. Sie traten hinaus und nahmen Platz. Die Reporter waren schon alle versammelt. Während der ganzen Konferenz war Jude immer noch unruhig, sie wollte mit ihrem Geheimnis erst gegen Schluss herausrücken. Es wurden nur wenige Fragen an sie gerichtet, was sie unheimlich erleichterte. Gerade als Darius die Konferenz für beendet erklären wollte, stand Jude auf und meinte: „Ich muss noch etwas loswerden.“ Darius gab ihr mit dem Nicken sein Zustimmen. „Ladies und Gentlemen…Was ich ihnen nun zu sagen haben, wird sie mit Sicherheit alle sehr Schocken. Aber sie müssen verstehen, dass ich keine bösen Absichten hatte. Ich wollte einfach nur eine sehr wichtige Person schützen. Doch ich habe erkannt, dass ich mit dieser Lüge nicht mehr leben kann…Sie erdrückt mich förmlich…Und ich finde sie haben ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren…“ Ein lautes Stimmengemurmel erhob sich. Alle tuschelten miteinander. Tommy starrte Jude geschockt an. „Sie wird doch nicht preisgeben, dass sie ein Mädchen ist, oder? Wenn ja, dann muss ich das verhindern“, dachte Tommy. „Die Wahrheit ist, dass…“ Er hörte die Worte schon aus ihrem Mund und musste seinen Blick abwenden, weil er das nicht ertrug. Doch plötzlich stürmte irgendjemand herein. Tommy blickte auf. Jeremy kam auf Jude zu. Fassungslos sah Jude ihn an. Was wollte er hier? Dann erhob er das Wort: „Die Wahrheit ist, dass Aidan und ich…wir…sind ein Paar!“ „Was?!“, dachten Jude und Tommy zur selben Zeit. Jeremy ging näher auf Jude zu und küsste sie. Geschockt und gebannt über diesen Kuss stand sie da. In ihren Augen sammelte sich Tränenwasser. Als Jeremy sich wieder von ihr löste, meinte er: „Nun wissen sie die Wahrheit. Die Pressekonferenz ist beendet.“ Er zog Jude mit sich, die immer noch wie erstarrt war. Hinter Jude schloss er die Tür zum Studio. „Bitte, flipp jetzt nicht aus. Ich konnte nicht zulassen, dass du alles hinschmeißt. Du solltest dein Talent nicht vergeuden.“ Jude war sprachlos. „Ich weiß, dass das mit dem Paar sein nicht die beste Idee war…aber mir ist nichts anderes eingefallen…Sag doch was…Schrei mich an, beschimpf mich…aber bitte sag was…“ Plötzlich musste Jude anfangen zu lachen. Überrascht schaute Jeremy sie an. Als sie sich wieder gefangen hatte, meinte sie: „Du bist echt verrückt.“ Nun musste auch Jeremy lachen, aber dann wurde Jude wieder ernst. „Hast…hast du denn bei dem Kuss etwas gefühlt oder war alles nur Show? Für mich hat es sich nämlich so…echt angefühlt…“ Jude hatte ihren Blick gesenkt. Jeremy erwiderte nichts. „Ähm…Tut mir leid…hab da was missverstanden…Ich sollte jetzt gehen.“ Sie drehte sich um und verfluchte sich lautlos selbst für ihr dummes Verhalten. „Jude, warte…“ Sie wandte sich ihm wieder zu. Langsam ging er auf sie zu. Sein Finger strich über ihre Wange. Dann näherten sich seine Lippe wieder den ihren. Es war eine Explosion von Gefühlen. Seine Lippen lagen sanft auf ihren. Immer noch die Gesichter ganz nahe beieinander flüsterte Jeremy: „Die ganzen zwei Monate deiner Abwesenheit konnte ich nur an dich denken. Jude, ich habe mich in dich verliebt als ich dich das erste Mal gesehen habe auf dieser Bank mit einem blauen Auge und deinem Koffer.“ Sie küsste ihn wieder. Dann meinte er schmunzelnd: „Ich hoffe, dass ich der perfekte Typ war.“ „Ja, natürlich du Spaßvogel.“ Händchen haltend gingen die beiden aus G-Major raus. Tommy beobachtete sie. Er konnte es immer noch nicht glauben. Warum hatte sie sich ausgerechnet für ihn entschieden? Warum Jeremy? Traurig und allein zog er sich in eine Bar zurück, wo er einen Drink nach dem anderen runter schüttete. Er ließ sich von niemanden ansprechen, wich den einladenden Blicken der Frauen aus und dachte an gar nichts. Das machte die ganze Situation ein wenig erträglicher. Auf einmal setzte sich eine ihm allzu gut bekannte Person neben ihn. „Was ist los, T.Q?“ „Was willst du hier Stan?“ „Du bist vorhin so abrupt aufgebrochen….“ „Und?“ „Ich denke, dass ich weiß was los ist…Du hast, auch wenn mir das unerklärlich ist für einen Frauenheld wie dich, Gefühle für Aidan entwickelt…Ich verstehe das…“ „Nein, du verstehst nichts…“ Tommy stand auf, griff sich seine Jacke und verließ das Pub. Am nächsten Morgen traf er im Studio Jude, die überglücklich vor sich hin strahlte. Er hatte gerade echt keinen Bock mit ihr zu reden, deshalb änderte er seine Richtung und ging auf die Sekretärin zu. „Habe ich Post bekommen?“ „Nein, nichts neues, Mr. Quinzy.“ „Danke.“ Danach schlenderte er in Darius Büro, auch wenn er nicht wusste, was er dort wollte. Aber Darius war gerade außer Haus. Tommy sah sich in dem Büro um. Nach einer Weile fiel sein Blick auf die Wand, auf der tausende von Fotos hingen. Er trat einen Schritt darauf zu. Nun betrachtete er jedes einzelne bis sein Blick auf ein Bild, der alten Boyz Attack-Zeiten fiel. Jeremy stand neben ihm. Sie beide wirkten ziemlich glücklich. Tommy konnte sich nicht einmal erklären, was zwischen ihnen vorgefallen war. Eines Tages hatte die Chemie einfach nicht mehr gestimmt. Jeremy konnte es nicht ertragen, dass Tommys Stern immer heller erstrahlte und seiner immer mehr verblasste. Während die Fans sich mehr und mehr von Tommy angezogen fühlten. Plötzlich stand Jude in der Tür. Sie sah aus, als würde sie ihn schon länger betrachten. Erst da bemerkte Tommy, dass ihm Tränen runter gelaufen waren. Schnell wischte er sich einmal übers Gesicht, damit sie es nicht sah. Dann fragte er leise: „Wie lange stehst du schon da?“ „Lange genug.“ Langsam ging sie auf ihn zu und stellte sich dann neben ihn. „Es gab eine Zeit, in der Jeremy besser kannte, als ich mich selbst. Wir waren unzertrennlich und wenn wir gemeinsam Musik machten, dann…dann…war es, als ob es nur uns und diesen Song geben würde. Wir beschlossen die Band zu gründen. Ich wollte eigentlich nie im Rampenlicht stehen, deshalb schlug ich vor, dass Jeremy als Leadsänger fungieren sollte. Jeremy genoss es im Mittelpunkt zu stehen. Immer weniger Zeit verbrachten wir gemeinsam. Nach einer Weile würde ich sogar sagen, dass zwischen uns immer irgendetwas oder irgendjemand gestanden hat. Und dann, als ich gebeten wurde den Leadsänger zu übernehmen, war es mit unserer Freundschaft zu ende. Jeremy konnte es nicht ertragen, dass mein Stern immer heller leuchtete und seiner hingegen anfing zu verblassen. Ständig stritten wir uns nur noch. Und eines Tages verkündete er uns, dass er sich entschieden habe zu gehen. Ich konnte meinen Ohren kaum Glauben schenken. Er hat alles hingeworfen, wovon wir unser Leben lang geträumt haben und das nur…aus Eifersucht auf mich. Und dabei wollte ich diesen ganzen Trubel um meine Person doch gar nicht. Ich wollte nur mit meinem besten Freund Musik machen…Ich vermisse ihn so sehr…“ Jude legte ihren Arm um Tommy und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, was ihm etwas Trost spendete. Beide schwiegen sie. Am späten Abend meinte Jude: „Es ist schon spät, Jeremy wartet schon auf mich.“ „Danke. Fürs Zuhören.“ „Immer wieder gern.“ Tommy blickte ihr hinterher. Ein paar Minuten später verließ auch er G-Major und fuhr nach Hause.
KAPITEL 9: Jude stand im Bad ans Waschbecken gelehnt da. Jeremy war in der Dusche, verborgen hinter dem Duschvorhang. „Kannst du nicht wenigstens mit ihm reden? Er scheint dich wirklich zu vermissen.“ Die Wassertropfen prasselten gleichmäßig auf den Duschboden. Ansonsten wurde das Schweigen nur durch das Atmen von ihnen unterbrochen. „Ich traue ihm nicht. Vielleicht hat er das nur gesagt, um sich bei dir einzuschleimen.“ „Warum sollte er das denn tun?“ „Weil er dich gern hat.“ Jude schüttelte unglaubwürdig den Kopf, was Jeremy aber nicht sehen konnte. Plötzlich lugte sein Kopf hinter dem Duschvorhang hervor. Er grinste breit. „Jetzt lassen wir mal das Thema Tommy beiseite und kommen zum romantischen Teil…Willst du mir nicht ein wenig Gesellschaft leisten? Ich fühle mich hier drin so einsam.“ Jude zog eine Augenbraue in die Höhe. „Du willst, dass ich zu dir unter die Dusche komme?“ „Ja, wieso nicht. Ist doch gar nichts dabei. Keine große Sache.“ „Also für mich ist gemeinsam duschen schon eine große Sache. Immerhin hatten wir noch nicht einmal ein richtiges Date.“ „Richtig. Aber wir hatten auch noch kein Date, bevor du bei mir eingezogen bist. Das machen die meisten erst nach einem Jahr Beziehung. Außerdem wir duschen ja nur…“ „Ich weiß nicht.“ „Ach, komm schon.“ „Na gut…“ Langsam zog Jude sich aus, während Jeremy sie beobachtete. Genau in dem Moment, in dem Jude vollkommen nackt vor ihm gestanden wäre, klingelte es an der Tür, was für Jude sehr gelegen kam. Schnell warf sie sich Jeremys Bademantel um und eilte zur Tür. Sie lugte durch den Späher, konnte aber die Person nicht erkennen. Deshalb schloss sie die Tür auf und öffnete sie. Auf einmal erschrak sie bei dem Anblick. Kalt meinte sie: „Was willst du hier?“ „Ich wollte mich bei dir entschuldigen…“ „Ich werde dir niemals verzeihen können…Du hast meine Kindheit zerstört, hast mich gedemütigt und mich geschlagen…bitte geh wieder.“ „Du tust was ich dir sage! Ich befehle dir, wieder nach Hause zu kommen.“ „Ich bin Zuhause.“ Sie wollte die Türe schließen, doch schnell schob ihr Onkel den Fuß in die Türe. „Wir sind noch nicht fertig, junge Dame.“ Er packte ihre Handgelenke. „Lass mich los.“ „Du wolltest ja nicht freiwillig mitkommen.“ Jude wehrte sich, aber ihr Onkel war einfach zu stark. „Sir, lassen sie meine Freundin los, oder ich rufe die Polizei.“ Jude hatte Tränen in den Augen. Jeremy zeigte ihrem Onkel demonstrativ das Telefon, aber dieser machte keine Anstalten Jude loszulassen. Jeremy wählte die Nummer und rief bei der Polizei an. In diesem Moment ließ ihr Onkel sie los und Jude stürzte zu Boden, da sie sich so gegen ihren Onkel gewährt hatte. Jeremy half ihr auf. „Nähern Sie sich nie wieder unserer Wohnung.“ „Wir werden uns wieder sehen, Jude. Wie ich schon sagte, wir sind noch nicht fertig.“ Dann verschwand er. „Alles in Ordnung?“ Jude nickte und fing aber gleichzeitig an zu weinen. Jeremy nahm sie in den Arm und führte sie hinein. Erst nach ein paar Stunden war Jude erschöpft eingeschlafen. Am nächsten Morgen hatte Jeremy Pamcakes in J-Form gemacht, um Jude ein wenig aufzumuntern. Dankend nahm sie auch den von ihm zubereiteten Kaffee an, den sie nach dieser Horrornacht dringend nötig hatte. Während Jude aß, nahm Jeremy plötzlich ihre Hand in seine und meinte: „Hast du heute Abend schon etwas vor?“ Jude war überrascht und hätte sich beinahe verschluckt. „Äh…nein. Warum fragst du?“ „Ich wollte dich ausführen. Ich dachte mir, dass wir uns zuerst einen Film, den du aussuchen darfst, im Kino ansehen und danach gehen wir in ein Restaurant essen. Was hältst du davon?“ „Also unser erstes richtiges Date?“ Jeremy lächelte sie an. „Genau. Deine Worte von gestern haben mich nachdenklich gemacht und ich finde, dass du recht hast.“ Nun begann auch Jude zu strahlen. „Dann holst du mich heute nach G-Major ab? So gegen 8.“ „Ich sehe dich dann.“ Er gab ihr noch einen sanften und schnellen Kuss, dann verschwand er durch die Tür nach draußen. Bei G-Major angekommen, war Jude ein wenig unaufmerksam aufgrund der Begegnung mit ihrem Onkel. Trotzdem freute sie sich auch schon auf das Date mit Jeremy. Plötzlich wurde sie angerempelt. „T’schuldigung.“ „Kein Problem.“ Jude bemerkte sogleich die tiefen Augenringe unter Tommys Augen. Im gleichen Moment fiel Tommy Judes blasses Gesicht und ihre erschöpfte Miene auf. „Lange Nacht?“, fragte Jude ihn. „Kann man wohl so sagen. Und selbst?“ Sie nickte. „Lass uns nicht davon sprechen.“ Gemeinsam gingen sie in den Proberaum. Dort vergaßen sie für ein paar Augenblicke all ihre Sorgen, alberten mit Stan und Mike rum und spielten ein paar Songs. Um 18 Uhr waren sie dann fertig. Stan und Mike verabschiedeten sich und waren kurze Zeit später gegangen. Außer Jude und Tommy war niemand mehr hier. „Ich muss mich umziehen. Ich habe heute noch ein Date.“ „Also ist es jetzt was Ernstes zwischen dir und Jeremy?“ „Ja.“ „Macht er dich glücklich?“ „Sehr sogar. Er ist wundervoll, kümmert sich liebevoll um mich und er respektiert meinen Wunsch uns Zeit zu lassen, um uns etwas besser kennenzulernen.“ Tommy wirkte etwas traurig, versuchte es aber so gut wie möglich vor Jude zu verstecken. „Ich bin froh, dass du jemanden gefunden hast, mit dem du glücklich bist.“ „Danke. Das ist lieb von dir.“ „Pass auf dich auf.“ „Mach ich.“ Danach verschwand Jude im Klo und machte sich fertig für ihr Date. Sie trug ein mittellanges schwarzes Kleid, dazu schwarze Pumps und natürlich lange auffallende schwarze Ohrringe. Ihr Haar fiel ihr in Locken auf die Schulter. Make-up hatte sie nur dezent aufgetragen. Um Punkt 8 war sie fertig. Sie stellte sich vor G-Major und wartete auf Jeremy. Dass er sich verspätete, sah ihm gar nicht ähnlich. So kannte sie ihn gar nicht. Normalerweise war er immer so perfekt. Sie gab es nur ungern zu, doch dieser kleine Makel erfreute Jude sogar, denn das machte Jeremy ein bisschen menschlicher. Nachdem sie eine Stunde lang gewartete hatte, gab sie es auf und machte sich auf den Heimweg. Nun war sie schon ein wenig sauer, immerhin wäre es ihr erstes richtiges Date sein. Sie hoffte für Jeremy, dass er wirklich einen guten Grund parat hatte. Genau in diesem Moment fuhr Jeremys Wagen vor. Sie drehte sich zu ihm um. „Jude…es tut mir leid…“ „Schon gut.“ Er sah auf seine Uhr. „Wollen wir gleich etwas Essen gehen? Den Film haben wir jetzt verpasst.“ „Bekomm ich nicht erst einmal einen Kuss?“ Er lächelte, beugte sich zu ihr hinab und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Von Jeremy ging ein anderer Geruch aus. Sonst roch er immer stark und männlich, aber diesmal mischte sich ein süßlicher, wenn nicht gar weiblicher, Duft darunter. Jude dachte nicht großartig darüber nach. Hand in Hand gingen sie zu einem der exklusivsten Restaurants in Toronto. Nachdem sie gegessen und sich die ganze Zeit verliebt in die Augen gesehen hatten, wollten sie zahlen. Die Kellnerin kam auf ihren Tisch. „Wollen Sie zusammen oder getrennt zahlen?“ Aus Jeremys Mund kam: „Zusammen.“ Und aus Judes: „Getrennt.“ „Ich zahle, Jude. Du bist eingeladen.“ „Also zahlen Sie?“ Jude meinte: „Ja, er für sich und ich für mich.“ Jude reichte der Kellnerin das Geld, aber Jeremy nahm es dieser wieder aus der Hand. „Sei nicht so ein Sturrkopf, ich habe dich vorhin so lange warten lassen und außerdem zahlt immer der Mann.“ „Ich will dich aber nicht so ausnehmen. Hast du schon die Preise gesehen? Ich kann dich nicht alleine zahlen lassen.“ „Doch kannst du. Es ist mein Wunsch, erfüllst du ihn mir?“ Widerstrebend gab Jude nach. Nachdem sie das geklärt hatten, bekam die ratlose Kellnerin ihr Geld. Danach gingen die beiden im Park spazieren. Über ihnen konnte man den klaren Sternenhimmel erkennen. „Da eine Sternschnuppe! Wünsch dir was!“ Jude schloss ihre Augen und wünschte sich, dass sie mit Jeremy immer so glücklich sein würde. Langsam öffnete Jude wieder ihre Augen. Jeremy zog sie näher an sich heran. Dann küsste er sie leidenschaftlich. Leise, beinahe flüsternd, sagte er: „Ich liebe dich, Jude.“ Von diesen Worten war Jude so überwältigt, dass sie zu Beginn kein Wort herausbrachte, deshalb küsste sie ihn erneut und antwortete ihm, nachdem sie sich wieder gefangen hatte: „Ich liebe dich auch.“ Zuhause angekommen, küssten die beiden sich unaufhörlich. Schon etwas spät ging Jeremy noch duschen. Jude wartete sehnsüchtig darauf, dass er wieder zu ihr kommen würde. Doch dann beschloss sie zu ihm zu gehen. Leise, damit er sie nicht hörte, schlüpfte sie ins Bad. Er summte irgendein fröhliches Lied vor sich hin. Jude öffnete ihr Kleid und schlüpfte aus ihrer Unterwäsche. Vorsichtig und etwas nervös ging sie auf den Duschvorhang zu. „Was ist, wenn er mich nicht attraktiv findet? Was ist, wenn ich ihm nackt nicht gefalle?“, dachte Jude verzweifelt. Ihr kamen Zweifel, die sie dann aber verdrängte. Langsam öffnete sie den Duschvorhang und sagte dann verführerisch: „Heii.“ Jeremy sah sie erstaunt an. Sie stieg zu ihm in die Dusche und zog den Vorhang hinter sich zu. Jeremys Mund stand weit geöffnet. Er bewegte sich nicht und konnte seinen Blick nicht von Jude abwenden. Jude fasste Mut und holte ihn mit einem Kuss aus der Erstarrung. Er schlang seine Arme um sie und drückte sie fest an sich. So verbrachten sie ihre erste gemeinsame Nacht zuerst in der Dusche und dann in Jeremys Schlafzimmer.
Sorry, dass ich schon lange keinen Kommentar mehr geschrieben habe! Aber die letzten Kapitel waren echt klasse; toll wie du das mit Judes Eifersucht geschrieben hast! Jeremy scheint ein ganz netter Typ zu sein, aber ich hoffe trotzdem auf ein Jommy-Ende